HU Enigma
HU – die kryptische Abkürzung steht für Hospital Universitário Clementino Fraga Filho (HUCFF) in Rio de Janeiro. Einst „Traum der 50er“ wurde die Universitätsklinik zum Symbol des Verfalls. Ein Mangel an finanziellen Mitteln sowie eine Schädigung der Baustruktur durch Natureinflüsse führten dazu, dass genau die Hälfte des imposanten Baus im wahrsten Sinne des Wortes brachliegt. Einst ein Riesenprestigeprojekt sollte das Klinikum als Behandlungsstätte und als Ausbildungsort gleichermaßen dienen, doch das Bildungsministerium stellte seine Unterstützung ein. Somit fehlte das Geld, um diesen Gebäudetrakt fertigzustellen. Ein Unwetter tat sein übriges und überschwemmte mehrere Etagen, sodass diese nicht mehr benutzt werden konnten. Zurückgeblieben ist eine gespenstisch anmutende Bauruine in der einen und ein genutzter Gebäudeteil in der anderen Hälfte.
Doch HU ENIGMA beschränkt sich nicht darauf, die Geschichte dieses Bauwerks und seiner Zerstörung zu erzählen. Es kommen zahlreiche Expert/innen und Funktionsträger zu Wort, die in irgendeiner Form mit seiner Geschichte verbunden sind. Über ihre Erzählungen erfährt der Zuschauer einiges mehr über die architektonische Perspektive hinaus, beispielsweise über das marode Gesundheitssystem in Brasilien, unberechenbare politische Interessen und fehlgeleitete wirtschaftliche Planung. Hier steht Technologie dem Verfall gegenüber, eine Synthese von modernistischer Utopie und Dystopie manifestiert sich in der Architektur – und am Schluss steht der Zusammenbruch: Das Gebäude wird im Dezember 2010 über eine Implosion seines „lahmen Beins“ entledigt.
Die Erzählung ist in eine visuell eigenwillige Form gebracht, die teilweise in Splitscreens die verschiedenen Orte und Realitäten gegeneinander laufen lässt – und damit gleichzeitig das dokumentarische Filmemachen diskutiert. Der Blick bleibt oft auf lange Einstellungen gerichtet, in denen die Verlassenheit und Nutzlosigkeit des Raums eine neue Dimension gewinnt. Raum entfaltet sich im Film auch über die Form mit dem 2:1-Format, festeingestellten Totalen, Aufnahmen von langen Korridoren und weiten Flächen, die die monumentalen Ausmaße der Konstruktion reflektieren. Ebenfalls eine neue Qualität gewinnt vor diesem Szenario die Tonebene, die auf minimalistische Weise Baugeräusche aufnimmt. Somit bietet HU ENIGMA auf erzählerischer, formaler wie visueller Ebene einen filmischen Gesamtgenuss.
- Brasilien
- 78:00 Min.
- Regie: Pedro Urano, Joana Traub Csekö
- Production: Samantha Capideville
- Kamera: Pedro Urano
- Schnitt: Marina Fraga
- Musik: LC Csekö
- Ton: Damião Lopes
- Sprache: portugiesisch
- Untertitel: englische
- Jahr: 2011