Lange Schatten
Die Vergangenheit hat viele Arten zurückzukehren. Es geht wohl nicht darum, wie man das verhindert, sondern wie man damit umgeht. „Lange Schatten" zeigt zwei außergewöhnliche Filme, in denen vor der Kamera eine solche Vergegenwärtigung geschieht. In THE WAVE dokumentieren Sarah Vanagt und Katrien Vermeire die Exhumierung eines Massengrabes aus dem spanischen Bürgerkieg. In Marcel Łozińskis TONIA I JEJ DZIECI (T'ONIA AND HER CHILDREN) erinnern sich drei Menschen an das Leben einer Frau, in dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts tiefe Furchen hinterlassen hat.
The Wave
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Im Oktober 2011 haben Sarah Vanagt und Katrien Vermeire die schichtweise Exhumierung eines Massengrabs aus dem spanischen Bürgerkrieg mit der Kamera begleitet. Entstanden ist ein pathosfreies und in keinster Weise effekthascherisches Zeitdokument. THE WAVE ist in mehrfachem Sinn ein Zeitdokument, denn der Film dokumentiert nicht nur den Prozess der Ausgrabung, Freilegung und Sichtbarwerdung der Überreste der Ermordeten bis hin zur Wiederverschließung der Grabungsstelle, sondern reflektiert mit dem Wechsel von Zeitraffer und statischen Totalen auch die zeitlichen Bedingungen der filmischen Beobachtung. Wie kann die filmische Geste hier zu einem Dokument werden? Wie kann ein 20minütiges Video von der schwindelerregenden Diskrepanz erzählen zwischen der über 70jährigen Verborgenheit und dem nun filmisch verdichteten Moment der Sichtbarmachung? Fragen dieser Art werden sich Sarah Vanagt und Katrien Vermeire gestellt haben und die Antworten, die sie gefunden haben, sind von größter Integrität.
- Belgien
- 20:00 Min.
- Regie: Sarah Vanagt, Katrien Vermeire
- Jahr: 2012
Tonia i jej dzieci
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Tonia Lechtman war eine polnische Jüdin, die seit ihrer Jugend leidenschaftlich für den Kommunismus gekämpft hat und die von den wechselnden Regimen ihrer Zeit verfolgt, eingekerkert und gefoltert wurde. Ihr österreichischer Mann hatte sich den internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg angeschlossen, war dafür später in Frankreich interniert und dann in Auschwitz ermordet worden. Tonia überlebte den Krieg mit ihren zwei Kindern in Frankreich. Mithilfe eines US-Offiziers gelang es ihr 1946 zurück nach Polen zu gelangen. Dort jedoch wurde sie erneut interniert und unter dem Vorwurf der Spionage schwer gefoltert. Während ihre Kinder Werka und Marcel als Diskriminierte in staatlichen Anstalten aufwuchsen, verbrachte Tonia fast sechs Jahre in Isolationshaft. Im Zuge der antisemitischen Welle im Polen der 1960er Jahre, emigrierte Tonia schließlich 1968 nach Israel, wo ihr wiederum ihre kommunistische Vergangenheit Schwierigkeiten machte. Werka ging damals mit ihr, Marcel zog nach Schweden. Nun sitzen die Geschwister gemeinsam mit dem Filmemacher Marcel Łoziński an einem Tisch, die Kamera läuft. Zwischen ihnen die Verhörprotokolle aus den polnischen Archiven, in denen der Mutter Sätze in den Mund geschoben wurden, die keiner gesagt haben möchte. Marcel liest, die anderen hören zu. Für Werka sind die Akten nicht neu, aber über Marcel bricht die verdrängte Vergangenheit wie eine Flutwelle herein.
- Polen
- 57:00 Min.
- Regie: Marcel Łoziński
- Sprache: polnisch
- Untertitel: englische
- Jahr: 2011