Messies, ein schönes Chaos
„Messies“, das sind Menschen, die in überquellenden Wohnungen leben oder extrem desorganisiert sind. Der Ausdruck leitet sich vom englischen „mess“ ab, was „Unordnung", „Schmutz" oder „Schwierigkeiten" bedeutet. Ihr Verhalten manifestiert sich im zwanghaften Sammeln, Unordentlichkeit, schlechter Hygiene, Zeitproblemen, Handlungslähmung und als Folge davon oft in sozialer Isolation. Sie halten ihre Vorliebe für das Horten möglichst geheim. Dennoch schaffte es Regisseur Ulrich Grossenbacher, das Vertrauen von vier Schweizer Messies im ordentlichsten Land der Welt zu erlangen und ihren Alltag über drei Jahre zu begleiten. Neugierig und einfühlsam lässt er die Zuschauer/innen teilnehmen an der Kreativität und Dramatik dieser Lebensweise.
Da gibt es Arthur, ein lediger Bauer, der eine Leidenschaft für verrostete Traktoren, Bagger und Lastwagen hat. Seine Passion für schweres Gerät hält die Gemeindeverwaltung seit Jahren auf Trab.
In Elmiras Wohnung türmen sich die zu überquerenden Zeitungs- und Kassettenstapel meterhoch. Der Regisseur hat ihr eine Helmkamera aufgesetzt, so dass der/die Zuschauer/in hautnah die gewagten Klettermanöver der Protagonistin miterlebt.
Karl und Trudi bewohnen ein großes Bauernhaus. Der letzte passierbare Raum ist die Küche. Sie beklagt das verlorene Sozialleben, nicht mal mehr die eigenen Kinder besuchen sie. Nach vielen Ehejahren stellt sie ihrem Mann ein Ultimatum: Er schafft Platz oder sie zieht aus.
Der Tüftler Thomas baut aus Schrott skurrile Apparate. Seine Werkstatt ist so übervoll wie seine Pläne.
„Der Filmemacher scheut zwar keine Drastik der Anschauung, etwa wenn er in einem Schwenk genüsslich langsam die Dimension eines Chaos enthüllt oder wenn er seine Protagonist/innen bei ihren Gängen durch die archäologischen Ablagerungsschichten mit einer Minikamera behängt. Die präzise gesetzte Musik unterstützt mitunter den ironisierenden Blick. Es ist aber das Interesse für seine Protagonist/innen, ihr Erleben, ihre Kreativität, ihre Verdrängungsstrategien und ihre Erklärung des eigenen Tuns, das ihn leitet. Hinter Verschrobenheiten zeigen sich komplexe Charaktere. Sie präsentieren sich nicht vornehmlich als Kranke, sondern als Menschen mit überschäumendem Interesse für alles. Sie konfrontieren uns mit Fragen: Was ist normal, was ist krankhaft?
Grossenbachers Respekt für seine ‚Messies', sein Sinn für Dramaturgie und seine visuelle Poesie führen zu Szenen voller Situationskomik, ohne dass unser Lachen auf Kosten der Protagonisten geht.“ (T. Schärer)