Reale Cut-Ups und virtuelle Realitäten
Cut-Ups, eine mit Zufall operierende Technik, um Autorenabsichten die planmäßige Sinnkonstruktion zu entziehen, stammt ursprünglich aus der Literatur des Dadaismus und der Situationisten. „Virtuelle Realitäten“ ist ein Begriff, der den Hype der Immersion in dreidimensional konstruierte Räume und fiktive Welten beschreibt. Was die Auswahl der Kurzfilme des Programmblocks hier auszeichnet, ist, dass die Künstler/innen selbst einen (künstlerischen) Blick hinter die Bühne der Produktion werfen, sozusagen in umgekehrter Richtung zu jener, in der die Medien dem Publikum Gossip oder pädagogische Belehrungen zu Kunst und Künstler/innen servieren. Das geschieht medial auf unterschiedlichste Weise, manchmal konzeptuell einfach, jedoch stringent, oder aber mit erzählerischer Distanz. Ambivalenzen virtueller Aufbereitung werden ausgespielt, Celebrity-Konstruktionen ironisiert. Beleuchtet wird so die Situation von Künstler/innen und Kunst in einer entmythologisierenden, jedoch überraschend kreativen, nachdenklich stimmenden Weise.
Empty Rooms
Als scheinbare Materialanalyse einer eingangs fokussierten Wand beginnend, nimmt Larcher hallenartige leere Räume und deren zweckbetonte Architektur in den Blick. Sie erscheinen wie Monumente der Erinnerung an die Inhaltsleere ihrer vermutlich simplen ökonomisch verwertbaren Bestimmung.
Doch die Künstlerin geht über das Abbilden der unheimlich dröhnenden Leere hinaus.
Unterstützt durch die sich steigernde, fast bedrohliche Soundebene Constantin Popps, ein industrielles Rauschen, haucht sie den Räumen Leben ein, indem sie einzelne architektonische Elemente isoliert und neu arrangiert. Realität und Montage verschmilzen, es entsteht eine industrielle, lebendig-magische Raumkonstruktion, in die sich der/die Betrachter/in nur schwer einzuordnen vermag.
Dieses eindrucksvolle Spiel mit den Räumen ruft gespeicherte Erinnerungen und assoziative Emotionen hervor, lässt uns an die Lebendigkeit der Objekte glauben und erinnert an das nicht verdrängbare Nachwirken der Geschichte.
- Österreich
- 10:54 Min.
- Regie: Claudia Larcher, Constantin Popp
- Jahr: 2011
Division
Das simple Zerreißen eines Blatt Papiers entwickelt durch Ablichten und wiederholte „Division“ und Vervielfachung ein pulsierendes Eigenleben. Der handwerkliche Akt verschwindet völlig und an seine Stelle tritt eine paralysierende Bewegung, die ihr jähes Ende in der Rückbesinnung zum Ausgangsmaterial findet.
- Niederlande
- 01:15 Min.
- Regie: Johan Rijpma
- Jahr: 2012
Günter und Mutti
Lassila analysiert vor der Kamera zwei hölzerne Topfuntersetzer, die die Aufschriften „Günter“ und „Mutti“ tragen. Sie durchspielt etwaige Lebensgeschichten dieser zwei Personen und ihre Beziehung zueinander.
Jenseits der ursprünglichen Rolle der gefundenen Gegenstände untersucht die Künstlerin außerdem die Funktionalität dieser kitschigen Dekorationsgegenstände als Werke im Ausstellungskontext und nimmt so eine kritische Position zum "Ready-Made" in der bildenden Kunst ein.
Das Tragen einer Maske während der Untersuchung ermöglicht ihr einen selbstbewussteren und freieren Umgang mit dem unbekannten Thema und gibt ihr zudem das Gefühl in ihrer Rolle ernst genommen zu werden.
- Deutschland
- 03:17 Min.
- Regie: Nina Lassila
- Sprache: englisch
- Untertitel: deutsche
- Jahr: 2011
Unusual Red Cardigan
John Smith bekam vor 18 Monaten die Nachricht, dass eine Videokassette einer seiner Filme bei Ebay zum Verkauf angeboten wird. Der Künstler schildert, wie sich aus anfänglicher Neugier eine Obsession entwickelte, während der/die Betrachter/in auf den Bildschirm seines Laptops blickt.
Dort präsentiert Smith das Profil des Verkäufers, der auch andere Gegenstände zum Kauf anbietet. Durch die Ersteigerung aller angebotenen Artikel versucht der Künstler eine Verbindung zum Anbieter herzustellen. Beim Entpacken des Gekauften wird der/die Betrachter/in Teil der Spurensuche nach Hinweisen zur Identität der Verkäufers und Zeuge des Bestrebens, eine Verbindung von virtueller Welt und Realität zu schaffen.
- Großbritannien
- 12:44 Min.
- Regie: John Smith
- Sprache: englisch
- Jahr: 2011
Mercury Watches The Road
In der römischen Mythologie spielt der Götterbote Merkur die Rolle der Verbindung zwischen zwei Punkten. Als virtuelle Statuette, platziert in scheinbar wirklicher Umgebung, wird er zum Sinnbild der Verknüpfung und des Austausches von Realität und Virtualität, von frühster Wissenschaft und heutigen Technologien. Der Künstler gibt in diesem Werk intime Einblicke in seine Arbeitsweise und lässt den/die Betrachter/in somit die Entstehung im Animationsprogramm nachvollziehen.
Gleichzeitig wird ein Zwischenzustand beschrieben, in dem virtuelle Räume und reale Gegenstände immer wieder en bloc funktionieren und nur schwer gegeneinander abzugrenzen sind.
- Vereinigte Staaten von Amerika
- 10:05 Min.
- Regie: David Matorin
- Sprache: englisch
- Jahr: 2012
The Eternal Lesson
Das Rohmaterial für einen nicht fertig gestellten Dokumentarfilm von 1939 zeigt Kunststudent/innen bei der Arbeit in Mal- und Bildhauerklassen und in Museen. Viele Szenen wurden – mit nur geringfügigen Variationen – mehrfach gedreht. Die Einstellungen sind zu zwei scheinbar gleichen Filmen montiert, die aber tatsächlich nie identisch sind. Während die Studierenden im Schaffensprozess ihre Werke mit den Modellen vergleichen, überprüft der Betrachter die Unterschiede in den beiden nebeneinander projizierten Filmen. Die dargestellten Gegenstände und Personen, Perspektiven und Entstehungszeitpunkte der Werke verschieben sich gegeneinander und lassen das Raum-Zeit-Gefüge der Szenerie verschwimmen.
- Deutschland
- 06:00 Min.
- Regie: Christoph Girardet
- Jahr: 2012
How the Work is Done
Die Vergangenheit spielt eine zentrale Rolle in den Videos der jungen polnischen Künstlerin Agnieszka Polska. Sie durchforstet die Schatztruhe der modernen Kunstgeschichte und verwendet historisches Material um Neues zu schaffen.
In dieser Ästhetik spielt ihr Idiom, Animation kombiniert mit gefundenem Fotos und Videomaterial, das Dokumentationen gleicht, die Schlüsselrolle.
Die Kameraführung eines Studios trifft so auf Animationen in Slow-Motion, die wiederum in starkem Kontrast zu den Dokumentations-Fragmenten stehen.
Die Stimme des Erzählers wird gleichzeitig von klimperndem Glas oder einer rhythmischen Triangel abgelöst. Dies unterstreicht die Wirkung der animierten und konstruierten Bilder und es wird eine kontemplative Atmosphäre geschaffen. In ihrer Arbeit fasst die Künstlerin die Frage nach der Beziehung zwischen der Sehnsucht einer Vergangenheitskonstruktion und dem Akt des Archivierens ins Auge. Besonders interessiert ist sie an der Rolle des Dokumentarfilms in diesem Kontext.
- Polen
- 06:26 Min.
- Regie: Agnieszka Polska
- Sprache: englisch
- Untertitel: englische
- Jahr: 2011
Videokonstnären och pengarna
Auf sehr nüchterne Art und Weise zählt der Videokünstler Perborg die Geldbeträge seiner Einnahmen und Ausgaben auf. Dabei geht er insbesondere auf die Rolle des/der Videokünstlers/in und die finanzielle Divergenz zum/zur bildenden Künstler/in ein. Diese Durchrechnung von Fakten wird auf anschaulichste Weise visualisiert und trotz der nüchternen Aneinanderreihung von Geldbeträgen, Steuersätzen und Verkaufszahlen wird die Bedeutung, welche das Schaffen von Videokunst für den Filmemacher hat auf emotionaler Ebene fassbar.
- Schweden, Deutschland
- 14:01 Min.
- Regie: Björn Perborg
- Sprache: englisch
- Jahr: 2012
Arts + Crafts Spectacular #2
Was passiert, wenn die Performance von Tris Vonna-Michell, das Werk „La Ballata di Trotsky“ von Maurizio Cattelan, Jeff Koons, die ehemalige Pornodarstellerin und Politikerin Cicciolina und Yoko Ono im Museum aufeinandertreffen? Zitate, Bildausschnitte und Original-Tonaufnahmen werden zu ineinander verwobenen Geschichten, die durch den Einsatz von Knetmasse in eine Form gebracht werden. Die Szenerie entwickelt sich schließlich zu einer SitCom, die ihr Ende vor Publikum findet, das eigentlich zu einer Performance gekommen ist.
- Deutschland
- 07:53 Min.
- Regie: Ian Ritterskamp, Sébastien Wolf
- Sprache: englisch
- Untertitel: deutsche
- Jahr: 2012