Was wir sehen blickt uns an
Blicke sind in Filmen durch die Bildausschnitte und Perspektiven der Kamera vorgegeben. Sie sind Teil der Erzählung und transportieren bewusste Inhalte und, in wahrnehmungspsychologischen und ästhetischen Entwürfen, auch unbewusste. Da das die Haltung, wie wir auf etwas blicken, verändert, ist es so, als würden Blicke auf uns zurückgeworfen werden. Die Weise wie die Filme dieses Programms auf die Menschen schauen, lässt sie auf ihre jeweilige Art mit uns kommunizieren und am Geschehen teilhaben.
La Java Bleue
Fotografien und aufgezeichnete Originaltöne lassen uns zu beobachtenden und lauschenden Anwesenden in einem Pflegeheim für Alzheimer Patienten werden. Über die Kamera und deren unbewegte Bilder und Ausschnitte wird zu den Bewohner/innen ein Kontakt aufgebaut, welcher zwar sehr nah in ihre Lebensbereiche eindringt, ihnen jedoch nie zu nahe kommt, um respektlos zu werden. Wir lernen die Gepflogenheiten der Bewohner/innen kennen und sehen wie sie den Alltag begehen – in ihrer je eigenen Form. Wir erfahren über ihre sich kreisenden und manchmal als gegenwärtig geäusserten Erinnerungen im Dialog mit den Pflegekräften etwas über ihre Vergangenheit. Die Anwesenheit von Angehörigen erzählt von dem Versuch, ständig neu an die existierenden Beziehungen anknüpfen zu müssen, um diese nicht zu verlieren.
- Frankreich
- 24:36 Min.
- Regie: Anne Loubet, Sophie-Charlotte Gautier
- Sprache: französisch
- Untertitel: englische
- Jahr: 2011
Wasteland
Eine Frau schwimmt in einem See. Eine Autofahrerin sitzt hinter ihrem Steuer und fährt eine Landstrasse entlang. Zu einer anderen Tageszeit, auf einer ähnlichen oder auch derselben Route, läuft eine Joggerin und hört dabei Musik. Nachdem sie ihre Wohnungstür verschlossen hat, verlässt eine andere Frau das Haus, will zum Auto, zögert, betritt die leere Strasse und bleibt stehen. Wir sind durch die gelenkten Blicke der Kamera nahe Anwesende dieser losen Episoden. So zu Beobachtern geworden, hat unsere unklare Position anscheinend eine nicht fassbare Auswirkung auf die Protagonistinnen. Es bleibt bei einer vagen Ahnung der Zusammenhänge. Unsere Vorstellungen werden dabei mit filmischer Erinnerung gespeist und wir werden selbst zu Teilhabenden der Szenen.
East Hastings Pharmacy
Die EAST HASTINGS PHARMACY ist die Apotheke eines Problembezirks in Vancouver, in der Methadon ausgegeben wird. Eine Apothekerin steht hinter einer verglasten Theke und gibt den registrierten Kund/innen ihre jeweilige Tagesdosis, die dann in ihrem Beisein konsumiert werden muss. Der Film beobachtet unkommentiert die Interaktionen zwischen den Menschen, die sich dort täglich aufhalten und uns somit vertrauter werden. Die Probleme, die die sonst sehr knappe Kommunikation bestimmen, werden wie die restlichen Handlungen routinemässig und nüchtern abgewickelt. Auch wenn dies machmal seitens der Apothekerin einiger Mühe und Disziplin bedarf, die professionelle Distanz zu wahren. Die Raumaufteilung des Ortes bestimmt nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Blicke auf die agierenden Personen. Sie schafft ein Gegenüber, dem wir sehr nah sind, doch nicht näher kommen können, als es der vorgegebene Ausschnitt von geschaffener Realität zulässt.
- Kanada
- 47:00 Min.
- Regie: Antoine Bourges
- Sprache: englisch
- Untertitel: englische
- Jahr: 2012