Liebe Angst
Kim, Anfang 50, ist Sängerin, seit einiger Zeit lebt sie mit ihrem Hund in einer Wohnung in Berlin- Kreuzberg. Bei einem Telefonat mit ihrer Mutter Lore erfährt sie, fast beiläufig, dass sie aus ihrem Fenster auf das Haus blickt, aus dem ihre Großmutter Marianne 1942 deportiert wurde, und wo Lore als Sechsjährige in einem Versteck den Holocaust überlebte. Als Kim mit 13 von zuhause weglief, von der alleinerziehenden Mutter, die für sie und ihren Bruder zeitlebens eine Belastung war, wusste sie nicht, welches Trauma die Familiengeschichte überschattet. Spät erfährt sie von der jüdischen Herkunft ihrer Mutter. Nach deren monatelangem „Hungerstreik“ und dem Selbstmord des Bruders beginnt sie, sich mit der dunklen Vergangenheit zu beschäftigen, beginnt, Lore zu befragen, die in ihrer eigenen Welt lebt, bestehend aus Kisten und Körben voller Zeitungsausschnitte und handbeschriebener Karteikarten. Immer stand die Angst zwischen ihnen. Regisseurin Sandra Prechtel hat spürbar das Vertrauen ihrer Protagonistin Kim gewonnen und mit ihr das Drehbuch verfasst. Ihr Film handelt von den Folgen der Traumatisierung, von den Ängsten, von Scham und Verdrängung, von Schuldgefühlen (die Lore gegenüber ihrer ermordeten Mutter hat, weil sie ihr nicht helfen konnte). Von der Unfähigkeit des beschädigten Kindes (Lore), die eigenen Kinder mit Liebe zu versorgen. Und von einem Weg der Befreiung. Kim, eine beeindruckend offene, authentische, auch humorvolle Frau, stellt sich, versteht es als ihre Aufgabe, nicht zu vergessen, nichts zu verschweigen, sich in die Welt ihrer Mutter vorzuarbeiten, um den Bann zu brechen. Am Ende singt Kim aus Schumanns Dichterliebe „Ich grolle nicht!“. Es gilt ihrer Mutter, aber ebenso der kleinen Zuhörer*innenschaft auf der Straße vorm offenen Fenster. (Livia Theuer)… >>>
- Dauer: 81 Min.
- Regie: Sandra Prechtel