Die Kamera blickt auf den Rücken einer Person in orangefarbener Arbeitsjacke, die auf einem offenen Motorgefährt zwischen anthrazitfarbenen Schlackebergen hindurchfährt. Der Ausdehnung dieser dystopischen Landschaft entspricht eine Dauer: Gut zwei Minuten und dreißig Sekunden ist die erste Einstellung lang, sie gibt das Zeitmaß von ANYOX vor. Geduldig registriert die Kamera die Lage dieses Ortes, an dem sich das dunkle Grau der aufgerissenen Erde in die beinahe einheitliche silbergraue Fläche von Himmel und Meer frisst. An den Rändern der Bilder gelb-grüne Tupfer vom Laub weit entfernt stehender Bäume, in ihrem Zentrum immer wieder schwere Maschinen, die wie die Jacke aus der ersten Einstellung in grellen Signalfarben leuchten. Die zarten weißen Linien von Blaupausen zeigen die Topografie, das Schwarzweiß von Archivdokumenten die Vorgänge aus dem frühen 20. Jahrhundert: Anyox war „Company Town“, in der Kupfer abgebaut und verhüttet wurde. Stimmen aus dem Off, Zeitungsausschnitte und maschinengeschriebene Berichte entfalten eine komplexe Geschichte der Ausbeutung von Bodenschätzen und menschlicher Arbeitskraft. Viele der Bewohner*innen von Anyox waren Arbeitsmigrant*innen, die sich im Kampf für bessere Lebensbedingungen in internationalen Netzwerken organisierten und damit der Verwertungslogik des Kapitals Infrastrukturen der Solidarität entgegensetzten. Durch seine Materialität stellt der Film eine direkte Verbindung in das industrielle Zeitalter her: Zeigen Ausschnitte aus Archivfilmen industrielle Aktivität mittels elaborierter Kameraperspektiven als so erhaben wie ein Naturschauspiel, so verwendet ANYOX mit 35mm-Film den Rohstoff der Industrialisierung des Kinos im 20. Jahrhundert, um nüchtern auf die Ruinenästhetik zu blicken, die die Transformationskräfte dieser Ara hinterlassen haben. (Philip Widmann)