Es wird Zeit


(BALi Kinos)

„Oh, time goes by so slowly – and time can do so much...“, schmachten die Righteous Brothers in Ben Rivers‘ NOW, AT LAST! Und wie recht sie doch haben. ES WIRD ZEIT widmet sich verschiedensten Spielarten temporärer Dimensionsverschiebungen: Eine dokumentarische Arbeit lässt erfahrbar werden, wie unerträglich dehnbar Zeit sein kann, wenn sie als Strafe eingesetzt wird. Ein Remake der Nachstellung eines Fallschirmsprungs demonstriert, wie sich sogar Adrenalin über Zeitsprünge hinweg übertragen lässt. Und schließlich lassen wir uns in das überaus großzügige Zeitregime des Faultiers entführen: Slow Cinema? Sloth Cinema!

Nach zwei Stunden waren zehn Minuten vergangen

Essen, warten, Telefon- und Schlafenszeit, Haare schneiden und putzen. Ein immergleicher Tagesablauf lässt in einer Jugendvollzugsanstalt die Zeit gerinnen. Körper werden zu Vehikeln, die träge von Werkstätten in Einzelzellen, über Flure in die Außenbereiche, vom Sessel aufs Sofa bewegt werden. Nichts macht mehr einen Unterschied. Atmen, gehen, sitzen, wieder liegen. Existenz im Dämmerzustand. Der Film blickt in diesen heterotopischen Kosmos und beschreibt eine fortschreitende Auflösung. Er erzählt von zurückgelassenen Körpern und einer unbestimmten Sehnsucht. Nach einem Anderen. Nach einem Draußen, von dem seine Träumer vielleicht selbst nicht mehr wissen, ob es das so je gegeben hat.… >>>

  • Dauer: 19 Min.
  • Nominierung: Goldener Schlüssel
    • Regie: Steffen Goldkamp

    47 Storeys

    Wir sehen Paul Litherland, der eine Videoaufnahme von circa 1996 nachspielt, in der er selbst seinen (Fallschirm-)Sprung von einem Hochhaus in Montreal nacherzählt. Die Nachstellung ist nicht nur wortgenau, Paul versucht auch, jede einzelne Pause, jedes Zögern, jede Geste des Originals nachzuspielen. Zwischen den beiden Aufzeichnungen liegen 20 Jahre, und durch Pauls unvollkommene Versuche, sein jüngeres Selbst zu imitieren, treten die performativen Aspekte von Erinnerung zutage.… >>>

    • Dauer: 11 Min.
    • Regie: Monique Moumblow,Paul Litherland

    now, at last!

    Gemächlich klettert ein Faultier einen Baumstamm hinauf, um sich in einer entspannten Hängehaltung einzurichten. Die kräftigen Klauen in die Rinde gehakt, verharrt es inmitten seiner lebendigen costa-ricanischen Dschungelkulisse und ist sich selbst genug. Dieses sympathisch schlichte Naturschauspiel, auf schwarz-weiß-Material gebannt und sorgfältig montiert, wäre die Essenz des Films – würde er nicht zwischendurch unverhofft in psychedelisch-poppige 60er-Jahre-Sequenzen entgleisen. Es liegt nahe, Ben Rivers‘ Faultier-Zeitstudie als humorigen Kommentar auf formalästhetische Eskapaden der Filmkunst zu deuten. Und doch empfiehlt es sich, das Experiment und seine Dauer ernst zu nehmen, sich zurückzulehnen und Sein und Zeit des Faultiers auf sich wirken zu lassen. now, at last!… >>>

    • Dauer: 40 Min.
    • Regie: Ben Rivers