30 Jahre, aber den Sinn des Lebens habe ich immer noch nicht rausgefunden

Drei Minuten und ein paar zerquetschte passten früher auf eine Rolle Super-8- Film. Die kleinen Monologe, zu denen Jan Peters sich ab 1990 jährlich zum Geburtstag vor die eigene Kamera stellte, wurden also manchmal jäh unterbrochen. Das Material enthielt eine technische Grenze, in die sich das Subjekt gewiesen sehen musste. Und genau das war es auch, was der deutsche Privatdokumentarfilmer suchte – er wollte sich mit einem Medium konfrontieren, das ihn zu einer Konzentrationsleistung zwang, das seiner ohnehin unspektakulären Selbstdarstellung ein Maß gab. Dreißigmal hat Jan Peters zwischen 1990 und 2019 [Zeitangaben von der Redaktion aktualisiert] seinen Geburtstag mit einer Aufzeichnung gefeiert. Er begann mit den Worten: „Das ist ein Jungmännerfilm“, da war er 24 Jahre alt. Den 40. Geburtstag feierte er mit einem wilden Tanz ohne Ton. Dazwischen läuft ein Leben in der extremen Raffung von Jahressprüngen ab. „Aber den Sinn des Lebens hab‘ ich immer noch nicht rausgefunden“ – dieser an einer Stelle leicht dahingesagte Satz ist nun der Titel des Fortsetzungsfilms, zu dem Peters seine Geburtstagsfilme bis heute montiert. Sie erzählen viele Geschichten, zuvorderst seine eigene, gleichzeitig aber auch die des Mediums. Während sich die Technik weiterentwickelt und neue Möglichkeiten bietet, interessiert Jan Peters sich immer mehr für die Vergangenheit, sucht noch einmal die Erfahrungen der Kindheit auf oder beschwört aus einem Stück bemalter Mauer eine ganze Sozialgeschichte des Umgangs mit schwierigen Kindern in der BRD herauf. […] In seinen Journalfilmen „November, 1-30“ (1998) und „Dezember, 1-31“ (1999) hat Peters die Methode einer strukturierten Selbstverfilmung schon erprobt und dabei einen Schwebezustand zwischen entwaffnender Aufrichtigkeit und souveräner (Unter-)Inszenierung gefunden. Im Hintergrund steht dabei „der große Meister Hans Lucas“, aka Jean-Luc Godard, der den Filmbildern eine Wahrheitsfunktion zugeschrieben hat, vierundzwanzigmal in der Sekunde, also auch den Pausen zwischen den Bildern. Jan Peters schafft es locker, „den ganzen Daseinskomplex, die ungelöste Frage“ da hineinzupacken. Der Film ist gerade einmal eineinhalb Stunden lang. Video wird zwischendurch als Notlösung gebraucht. Seit 2000 will aber auch Jan Peters sich der Digitalisierung nicht länger widersetzen. […] Bert Rebhandl Auszug aus Excerpt from „Wunderbare Existenzfilme“, Der Standard, 18./19.10. October 18/19, 2008

  • Dauer: 90 Min.
  • Länder: Germany / France / Switzerland
  • Sprache: German
  • Untertitel: No language
  • Produktionsjahr: 2019

  • Regie: Jan Peters