Try Keeping It Balanced

Aus der Distanz wirkt die Installation von Elko Braas wie eine minimalistische Skulptur: Zwei Linien, die in einem fragilen Winkel im Raum zu schweben scheinen. Doch aus der Nähe entpuppt sich das vermeintlich schlichte Gelenk als aufwendiger Mechanismus, in dessen Mitte ein Stein die Balance hält – oder in Balance gehalten wird. Die Fragilität der Konstruktion gewinnt bei der Beobachtung eines gelegentlich auftretenden Zitterns des Gelenkmechanismus eine neue Dimension. Hier wirken nicht allein die Gesetze der Statik und Materialeigenschaften im Balanceakt zusammen, sondern Aktoren und Reaktoren – ein intelligentes computergesteuertes System von sechs Motoren. Die nachdenklichen Arbeiten von Elko Braas basieren auf technischen Ideen, die in ihrer Absurdität und im Zusammenspiel von analogen und digitalen Komponenten eine poetische Tiefe entwickeln. Ihm gelingt es, Fragestellungen des immateriellen digitalen Raumes auf einer physischen, plastisch nachvollziehbaren Ebene zu verhandeln. Für TRY KEEPING IT BALANCED lässt Braas zwei Kamera-Stabilisationssysteme, sogenannte „Gimbals“, gegeneinander arbeiten. Es handelt sich dabei um komplexe Aperturen, die als Systeme für sich genommen gut funktionieren. In der gegeneinander gerichteten Verzahnung kommt es jedoch durch die chaotische Verstrickung von Feedback, Regelabweichung und Steuerung zu einem permanent instabilen Zustand. Die sich aus mechanischen Unzulänglichkeiten und begrenzter Rechenleistung ergebenden Spielräume werden sichtbar. Der dazwischen gehaltene Stein droht in jedem Moment zu Boden zu stürzen. Exemplarisch lässt sich dieses sich selbst organisierende Austarieren der Kräfteverhältnisse auf vielen Ebenen mit täglich erfahrbaren Momenten der Überforderung vergleichen. Hier inszeniert sich das Vertrauen in offene kybernetische Systeme, auf die wir uns in beinahe allen Lebensbereichen verlassen, obwohl sie in ihrer Hyperkomplexität undurchdringlich bleiben, als verunsichernde Irritation. Eine sinnliche Erfahrung, die die Frage aufwirft, wie wir heute zu der Aussage des Informatikers Niklaus Wirth stehen, der davon abrät, solche Systeme, deren Verhalten für das einzelne Individuum nicht nachvollziehbar bleiben, zu entwickeln: „Die Annahme, dass komplexe Systeme Armeen von Designern und Programmierern erfordern, ist falsch. Ein System, das von einer einzelnen Person nicht in seiner Gesamtheit oder zumindest in erheblichem Maße im Detail verstanden wird, sollte wahrscheinlich nicht gebaut werden.“ Olaf Val

  • Dauer: 0 Min.
  • Länder: Germany
  • Produktionsjahr: 2019

  • Regie: Elko Braas