Körper Theorie Poetik

„Das einzige Verhältnis, das man zu den Strukturen haben kann, die man sich gibt, ist, sie als Sichtschutz zu verwenden um dahinter alles andere zu machen als das, was die Ökonomie erlaubt. Es bedeutet also einverstanden zu sein mit dieser Nutzung, dieser Distanz.“ Im Stil eines Undercover-Videos spricht ein unkenntlich gemachter Körper vor einem Scheinwerfer mit verzerrter Stimme. Es handelt sich um eine Art „Aussteiger“, einen politisch ambitionierten Künstler – dargestellt von Ulf Aminde – der, wie er selbst sagt, keinerlei Sinn mehr darin erkennen konnte, im Kunstbetrieb und seinen Institutionen noch irgendeine relevante Äußerung zu tätigen. Nach Guerilla-Aktionen mit einer „geheimen Truppe“, die das Ziel hatten, den Kunstbetrieb von innen heraus aufzubrechen, folgte der „Streik“ – die Verweigerung, Kunst zu machen und auszustellen, wird zunächst als Befreiung empfunden. Doch der Wille zur Subversion bestehender Strukturen und ihrer Veränderung von der Wurzel her bleibt: „Die alte und daher jeweils neu zu stellende Frage einer emanzipativen, politischen Bewegung lautet: Besteht Radikalität aus dem Initiieren eigener Institutionen, oder geht es jeweils darum, die Institutionen von innen her zu verändern?“ Eine Antwort könnte sein: „Ausbildung als Widerstandsform gegen die Institute der Ausbildung“ – eine parasitäre Nutzung der Lehrinstitution, um unter ihrem Deckmantel eigene Ziele zu verfolgen. Aminde schlägt mit seiner performativen Filmarbeit eine neue Positionierung und Markierung vor: Nicht außerhalb der Institution aber auch nicht als Teil von ihr, um von dieser Stelle aus radikale Neuerfindung zu suchen. Der Film, dessen Titel dem Studiengang „Körper, Theorie und Poetik des Performativen“ an der Staatlichen Akademie der Künste in Stuttgart (den der Künstler und Professor mitbegleitet hat) entlehnt ist, ist zugleich Parodie, wie auch ernst gemeintes Artist-Statement mit bewusst autobiografischen Bezügen. Die „Satire“ entsteht durch das Bewusstsein der Diskrepanz zwischen der eigenen privilegierten Position und dem gleichzeitigen Bedürfnis, unterprivilegierte Positionen zu vertreten. Diese und andere Widersprüche werden im Film verhandelt, wobei der selbstreflexive Monolog über kollaborative Praxis immer auch an der Schwelle zum Komischen ist – anders als in totalitären Regimen müssen politische Künstler/innen hierzulande (noch) nicht im Untergrund agieren. Subversion und Institutionskritik, wie auch die Sehnsucht nach der selbstermächtigenden Gestaltung sozialen Raums sind längst markttauglich. Man nimmt dem Künstler das Ringen um eine Positionierung dennoch ab. Die gestellten Fragen – etwa nach institutionellem wie eigenem Rassismus – sind heute (wieder) dringend relevant. Eva Scharrer

  • Dauer: 23 Min.
  • Länder: Germany
  • Produktionsjahr: 2018

  • Regie: Ulf Aminde