Europe


(Filmladen)

Europe

Es ist Sommer und ganz Frankreich bereitet sich auf die Ferien vor. Auch Zohra Hamadi, 32, wartet nur auf die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis, dann wird sie nach Algerien aufbrechen, wo ihr Mann auf sie wartet. Sie lebt in einer kleinen Banlieue und ihr Sommer begann mit dem Ende einer langen Krankengeschichte. Zum ersten Mal in ihrem Leben kann Zohra aufrecht gehen, fast schmerzfrei – sie könne ab jetzt ein ganz normales Leben führen, sagt der Arzt, dem sie ihre körperliche Freiheit verdankt. Doch die erwartete Verlängerung von Zohras Aufenthaltserlaubnis bleibt aus: Mit dem Ende ihrer medizinischen Behandlung verliert Zohra ihren Status in Frankreich. Sie wird – für ihr Umfeld wie für das Kinopublikum – eine unsichtbare, zum Schweigen gebrachte Protagonistin. Nur durch die Reaktionen anderer wird spürbar, wie Zohra um die Rettung ihres Lebens in Normalität ringt: wie sie keine Schwäche zeigen will, sich in Lugen verstrickt, wie ihre Welt bröckelt. Sie verliert ihre Arbeit und ihre Wohnung. Familie und Freund*innen brechen auf, sie bleibt allein zurück in einer entleerten Welt. Auf den ersten Blick wirkt EUROPE wie ein Spielfilm, der in der Inszenierung dramaturgisch und visuell verdichtet. Doch so eindeutig liegen die Dinge hier nicht. Spricht die Darstellerin Rhim Ibir nicht zu Beginn des Films über die Differenz zwischen ihrem eigenen Leben und dem ihrer Rolle? Und sagt sie dem Regisseur – und uns – nicht sehr deutlich, dass das, was wir in der Folge zu sehen bekommen, der Film ihres Lebens ist, des Lebens eines illlegalisierten Menschen in Europa? Wie in früheren Filmen interessiert sich Philip Scheffner weniger für Grenzziehungen zwischen „dem Dokumentarischen“ und „dem Fiktionalen“. Er sucht filmische Ausdrucksformen für die eindrückliche Darstellung einer Realität. In EUROPE findet er sie in der absolut überzeugenden Inszenierung der Unsichtbarmachung von Menschen. Eine in Europa tagtägliche Realität, in der Normalität zur Fiktion wird. (Jens Geiger-Kiran)… >>>

  • Dauer: 105 Min.
  • Regie: Philip Scheffner