Heimatkunde
30 Jahre nach dem Ende der DDR befasst sich der 1980 in Eisenhüttenstadt geborene Regisseur Christian Bäucker mit seiner Schulzeit bzw. dem damaligen Schulsystem. Hier sieht er Ursachen für die, von ihm wahrgenommene, deutsche „Zweiheit“, die nicht nur noch immer das Land, sondern auch ostdeutsche Familien im Innersten spaltet. Deren Überwindung ihm ohne „die Aufarbeitung der Erziehung zum autoritären Geist“ unmöglich erscheint. Unter Verzicht auf Filmförderung und Senderbeteiligung kehrt Bäucker für seinen Film zurück an den Ort, an dem Kinder mehr Zeit verbrachten als zuhause mit den Eltern. Dorthin, wo die künftigen Bürger*innen geformt wurden, an die Wurzeln der Gesellschaft. Das Schulgebäude der ehemaligen Polytechnischen Oberschule in Bärenklau/ Niederlausitz nahe der polnischen Grenze steht seit 1997 verlassen, auch innen beinah unverändert, in der Landschaft. Als Relikt einer untergegangenen Welt. Ergraute Klassenräume mit bekritzelten Schulbänken, vergilbten Schulbüchern und Blümchentapeten, ein Technikraum mit alten Tonbandgeräten. Wie gemacht für eine Reise in die Vergangenheit. Hier wurde Bäucker, wie zuvor seine älteren Schwestern, 1987 eingeschult. In seinem Schulheft aus der zweiten Klasse sehen wir in Kinderschönschrift Sätze über den Nutzen der Nationalen Volksarmee. Die Schützlinge wurden frühstmöglich in die Obhut des Staates genommen und mit dessen kollektivistischem Geist vertraut gemacht. Schule ging über den Bildungsauftrag hinaus, ihre Aufgabe war es, zu erziehen. Bäucker spricht mit ehemaligen Lehrer*innen und Schüler*innen (u.a. einer seiner Schwestern), die er zu seiner Reise eingeladen hat, lässt sie erzählen, fragt tastend nach. Gemeinsam hört und schaut er mit ihnen Ton- und Filmdokumente, die als Unterrichtsmaterial vorgeschrieben waren. Erinnern und Reflektieren setzen ein. Über das Ziel und den Weg. Welche Spuren hat er hinterlassen? (Livia Theuer)… >>>
- Dauer: 89 Min.
- Regie: Christian Bäucker