Medusa
Vier Kilometer weißer Strand und türkisblaues Wasser wie in der Karibik: Rosignano Solvay liegt in der Toskana an der ligurischen Küste und ist im Sommer ein Tourismus-Magnet. Aber die blendende Schönheit der Landschaft beruht auf einer Umweltsünde im großen Stil: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die ortsansässige Karbonat- und Sodaproduktion jahrzehntelang ihre chemischen Abfallprodukte, insbesondere gasförmiges und flüssiges Quecksilber in die direkte Umgebung entließ. Jugendliche aus dem Ort, der sich seit Kurzem nach dem Erfinder des ersten chemischen Kreisprozesses – Ernest Solvay – benennt, hinterfragen gemeinsam mit der Künstlerin Chloé Malcotti in einer performativen Versuchsanordnung die sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge, die ihr Leben prägen. Die Regisseurin knüpft mit ihrem poetisch-aktivistischen Kaleidoskop MEDUSA an bekannte Essayisten wie Chris Marker oder Jean-Luc Godard an, die in den 60er Jahren die Arbeiter*innenbewegung in Frankreich kulturell wie politisch unterstützten. Die Konflikte haben sich jedoch gewandelt. Standen damals die Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiter*innen im Fokus, erscheinen heute die existenzbedrohenden Langzeitfolgen unökologischen Wirtschaftens für die Menschen im Umfeld der Fabriken als problematisch. Die Erfahrung einer zunehmenden Durchdringung der physischen, wie psychischen Welt übersetzt die Regisseurin in verstörende Bilder, die dazu einladen – wie die Jugendlichen am Strand – mögliche diskursive Positionen im Kopf durchzuspielen. Der Blick in den der Vergangenheit zugewandten Spiegel scheint das Einzige zu sein, das Sicherheit geben kann in diesem unheimlichen Reigen um die mit ihren Blicken versteinernde, griechische Gorgone Medusa, die dem vertrackten Komplex ein Gesicht und dem einzigartig-experimentellen Film ihren Namen leiht. (Christina Zimmermann)… >>>
- Dauer: 72 Min.
- Regie: Chloé Malcotti