The First 54 Years


(Filmladen Kassel)

The First 54 Years

Irgendwann im Verlauf des Films muss Avi Mograbi seine Nerven beruhigen und zündet sich eine Zigarette an. Zu groß ist die Frustration geworden, zu brennend die Wut. In seinem Wohnzimmer hat der israelische Dokumentarfilmer die letzte Stunde damit verbracht, aus einem fiktiven Leitfaden zu zitieren. Der soll uns vorgeblich erklären, wie man am besten ein militärisches Besatzungsregime installiert. Und zwar eines, das nachhaltig ist und über viele Jahrzehnte bestehen kann. Seit 54 Jahren kontrolliert der israelische Staat die Gebiete, die mal „besetzte Gebiete“, mal „palästinensische Autonomiegebiete“ heißen: das Westjordanland und den Gazastreifen. Knapp vier Millionen Menschen stehen dort unter dem Einfluss einer militärischen Kontrolle, die zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedliche Art und Weise von den israelischen Streitkräften ausgeübt wurde. Und eben die Geschichte dieser Besatzung zeichnet Mograbi nach und erklärt mittels historischen Materials die Vorgänge aus der Perspektive des Besatzers: Warum kann es nützlich sein, den Bewohner*innen der besetzten Gebiete eine Arbeitserlaubnis für das eigene Staatsgebiet zu erteilen? Wann sind taktische Rückzugsmanöver notwendig? Mit beißender Ironie beschreibt er, dessen filmisches Lebensthema die fehlende Gerechtigkeit im Nahen Osten ist, das „Erfolgsgeheimnis“ der israelischen Besatzung. Seine Analysen werden mit Protokollen aus der Besatzungspraxis konfrontiert: Aus den Archiven der NGO „Breaking the Silence“ präsentiert Mograbi Aussagen ehemaliger Militärangehöriger, die aus ihrem Alltag in den „Gebieten“ berichten. Es ist ein bitterer, oft trauriger Film, der entsteht, wenn der Filmemacher seine These vom Besatzungsregime als Selbstzweck mit immer neuen Belegen anfüttert, immer neue Zeug*innen der Anklage aufruft. Und doch spürt man aus ihm noch mehr als einen Funken Glauben an den aufklärerischen Geist des politischen Kinos – auch wenn er sich zuweilen hinter einem Schutzschild der Ironie versteckt. (Jens Geiger)… >>>

  • Dauer: 108 Min.
  • Regie: Avi Mograbi