DokfestGeneration:
Bilder (m)einer Mutter


(Gloria Kino)

Bilder (m)einer Mutter

Melanie Lischkers erster langer Dokumentarfilm besteht größtenteils aus dem umfangreichen Super-8- und Videomaterial, das ihr Vater seit Anfang der 1970er Jahre privat gedreht hat. Hauptdarstellerin ist Gabi, seine erste Liebe und spätere Ehefrau. In Nebenrollen Gabis Eltern im engen bayerischen Zuhause. Später rücken die beiden gemeinsamen Kinder in den Vordergrund. Der Filmtitel legt nahe, dass es auch um eine fremde Mutter gehen könnte. Bei den Bildern ihrer Mutter handelt es sich nicht nur um die äußeren, sondern auch um Selbstbilder von Gabi, wie sie in ihren – vom Vater lange als verloren erklärten – Tagebüchern in Erscheinung treten. Lischker lässt immer wieder Passagen daraus vorlesen, wie ein Voice-Over passend zu den jeweiligen Filmbildern. Wir lernen so die Innenperspektive einer Frau kennen, die sich von einer verliebten Teenagerin in eine mit sich und den Umständen hadernde, zunehmend unglückliche Frau verwandelt, die sich auf ihrem letzten Weg erstmals frei fühlt. In den wenigen heutigen Aufnahmen, die die Filmemacherin mit Vater oder Bruder bei der Erinnerungsarbeit zeigen, spürt man, wie sehr die Tochter ihre Mutter (endlich) kennenlernen und verstehen möchte. Warum war sie häufig schlecht drauf, distanziert, zum Ende hin wortkarg? Warum hat sie den Kindern nichts hinterlassen, obwohl sie Zeit hatte, sich auf den Abschied vorzubereiten? Lischker findet Antworten nicht zuletzt in zeitgeschichtlichen Dokumenten. Wir sehen demonstrierende Feministinnen der zweiten Frauenbewegung, sehen die erste Bundestagspräsidentin, die für Gleichberechtigung in der Politik eintritt, sehen eine erste Grünen-Politikerin, die das Ende des Sexismus im Parlament fordert und Gelächter erntet. Hören die reaktionäre Gegenseite, die sich gegen die Aufweichung der herrschenden Rollenmodelle stemmt. Dazwischen Gabi mit ihren künstlerischen Ambitionen und ihrer erlernten Anpassungsfähigkeit, die als Hausfrau irgendwann Puppen bastelt, während ihr Ehemann Karriere macht. (Livia Theuer)… >>>

  • Dauer: 78 Min.
  • Regie: Melanie Lischker