For the Record


(BALi Kinos)

In diesem Programm wird Gewalt in Filmen und Filmproduktionen in den Mittelpunkt gestellt. Alle Arbeiten beziehen sich auf konkrete, oft persönliche Filmerlebnisse, die jeweils in einem neuen Projekt bearbeitet werden. Die neuen Arbeiten sind wie Fortschreibungen, aber auch wie Filme hinter den Filmen. Es sind Bearbeitungen von Gewalterfahrungen wie sexualisierter, physischer Gewalt aber auch staatlicher oder kolonialer Gewalt. In der Doppelbewegung von Aufdeckung und Auseinandersetzung wird auch die Frage dringlich: wie können Filmemacher/innen gewaltvollen Strukturen, die an Film gebunden sind, medial begegnen?

Yek nameh be madaram (نامه ای به مادرم)

Ein Film, der adressiert und ein Film, der eine Verarbeitung im Medium zeigt: eine furchtlose und kraftvolle autobiographische Untersuchung. Der Filmemacher hat als Kind sexualisierte Gewalt durch einen Verwandten erlebt, in der Zeit, in der er an der Seite seiner Mutter, beide als Laiendarsteller/innen, in einem Film mitgespielt hat. Sie spielten sich selbst. Der Film handelte von den Sehnsüchten des Kindes und erzählte von der Beziehung einer jungen aufstrebenden Mutter zu ihrem Sohn. LETTER TO MY MOTHER ist jetzt Amin Mahers eigener Film, adressiert an die Mutter. Wie lässt sich mit der Vergangenheit umgehen? LETTER TO MY MOTHER ist die Entscheidung für eine radikale, persönliche Perspektive. Eine Auseinandersetzung, die tief an Schmerzpunkten rührt und genau hinsieht, die Verzweiflung und Grausamkeit in exakte Bilder fasst und schonungslos nach Möglichkeiten der Bearbeitung sucht.… >>>

  • Dauer: 20 Min.
  • Regie: Amin Maher

Nou voix

Ein autobiografischer Film, der eine Filmgeschichte umschreibt und Stimmen hörbar macht, die darin nicht vorkommen. Der Vater des Filmemachers war selbst Darsteller im Film Jean Galmot aventuier von 1990. Er spielt einen der Angeklagten im Prozess von Nantes nach den Aufständen, die auf den Tod von Jean Galmots in Guyana folgten. Wir sehen ihn in der Szene nach der Freisprechung der Angeklagten. Wie passt der Film in die Kolonialgeschichte des Landes? Was erzählt er und auf welcher Erinnerung basiert er? Vater und Sohn gehen diesen Fragen in mikroskopisch kleinen Detailanalysen nach und haken ein, schreiben um, intervenieren in machtvolle Erinnerungspolitiken.… >>>

  • Dauer: 14 Min.
  • Regie: Maxime Jean-Baptiste

Video Home System

Popkultur und Nationalismus sind im pakistanischen Fernsehen der 1980er und 1990er Jahre miteinander verwoben. Sharlene Bamboat schaut sich diese Verbindungen an und lässt ihr Protagonist/innen auf die Zeit und die Erzählungen von damals zurückblicken. Neben dem staatlich reglementierten Programm sind es vor allem die kopierten und weitergegebenen Formate, die sie interessieren. Es ist ein eigener Markt, über den westliche Ikonen weitergereicht werden und so Identifikationsangebote machen; nicht im Kino, sondern in privaten Räumen.… >>>

  • Dauer: 19 Min.
  • Regie: Sharlene Bamboat

ma nouevelle vie européenne

Dies ist ein zweiter Film. Mit seinem ersten Film hat der Regisseur Abou Bakar Sidibé viel Aufmerksamkeit bekommen und ist auf der Berlinale ausgezeichnet worden. Es ging um seine Flucht nach Europa. Jetzt ist Alltag, jetzt ist der Film nach dem Film. Das Leben ist viel mehr Stillstand, Bürokratie, Perspektivlosigkeit. Er ist festgesetzt in einer deutschen Unterkunft, in einer Gegend, in der es nichts zu tun gibt. Die Zeit vergeht mit Warten. Er dokumentiert weiter, nicht mehr die eine große Geschichte, sondern die Grausamkeit der Realität, die ihn jetzt umgibt und in der er nicht bleiben darf.… >>>

  • Dauer: 22 Min.
  • Regie: Abou Bakar Sidibé,Moritz Siebert