Mamacita
María del Carmen Torrescano ist 98 Jahre alt, der junge Filmemacher José Pablo, einer ihrer vielen Enkel, nennt sie wie alle „Mamacita“. In Mexiko ist Mamacita einerseits eine Verniedlichung von Mama und wird andererseits von Männern bei der Anmache verwendet und bedeutet so viel wie „heiße Braut“ oder „sexy Girl“. Mamacita hat vor 60 Jahren damit begonnen, in Mexiko eine Art Schönheitsimperium aufzubauen. Mehrere Beautyfarms und Schönheitskliniken über das Land verteilt behandeln Frauen nach Methoden und mit Produkten, die von Mamacita selbst entwickelt wurden. Ihr Credo lautet: Alles für den Wert der Frau. Auch ihre acht Töchter wurden Teil des Unternehmens „Las Torrescano“, das sie nun ohne ihre gebrechliche Mutter weiterführen. Zuhause in ihrem Palast ist Mamacita weiterhin die extravagante Regentin, die ihre treuen Bediensteten, ob in der Küche, im Garten oder in der Pflege kommandiert. Diese mögen an Gott glauben, sie glaubt an sich selbst. Mamacita steht über allem, doch in ihrem Innern und hinter den Mauern und Zäunen verbirgt sie die Geheimnisse einer prominenten Upper-Class-Familie. Ihren Großvater, einen General, fürchtete sie so sehr, dass sie sich bei seinem Anblick einnässte.Heute vermisst sie ihn, wie sie ihrem Enkel gesteht. Als José Pablo zum Filmstudium nach Deutschland ging, musste er seiner Mamacita versprechen, als fertiger Regisseur in seine Heimat zurückzukehren, um einen Film über sie zu drehen. Sie hat der Welt etwas mitzuteilen. José Pablo löst sein Versprechen ein. Er begibt sich in ihr Reich wie in ein verwunschenes Land. Er schläft in dem Zimmer, in dem seine Mutter starb, als er noch ein kleiner Junge war und stellt sich, gemeinsam mit Mamacita, der Vergangenheit. Die Distanz, die er beim Studium in Europa gewonnen hat, lässt ihn auch das Surreale der Situation erfassen. So ist sein Blick frisch, neugierig und immer wieder offen amüsiert über die Attitüden seiner Großmutter, die sich täglich aufwändig schminkt, kleidet und mit Schmuck behängt. Es scheint, als sei das wichtigste Kapitel in ihrem von großen Erfolgen beschiedenen Leben angebrochen. José Pablo kann ihr und der schwierigen Familiengeschichte, die auch seine eigene ist, bei allem Respekt mit freundlicher Ironie begegnen. Auch schreckt er nicht vor direkten Fragen zurück. Die Mischung aus Humor und Einfühlung ermöglicht es ihm, spielerisch mit ihr hinabzusteigen ins Reich der Geister. Und wie einem weißen Ritter gelingt es ihm, sie daraus zu befreien.… >>>
- Dauer: 75 Min.
- Regie: José Pablo Estrada Torrescano