Acasa – My Home


(Filmladen Kassel)

Acasa – My Home

Hinter der Schnellstraße liegt das Paradies. Auf der anderen Seite liegt die Millionenstadt Bukarest. Doch wenn man sich im Haus der Familie Enache befindet, wähnt man sich in unberührter Natur. Und genau dort ist man auch. Seit 20 Jahren lebt die elfköpfige Familie in einer Hütte, abseits der Metropol-Zivilisation mitten im von Flussarmen durchzogenen Schilf des Bukarester Deltas. Es ist eines der größten zusammenhängenden urbanen wilden Naturgebiete, das sich die Enaches zu ihrer Heimat gemacht haben. Die Frage, warum sie einst dem Rest der menschlichen Gesellschaft den Rücken kehrten und sich in die Wildnis zurückzogen, bleibt in Radu Ciorniciucs Film unbeantwortet. Denn das Paradies der Enaches wird akut vom Naturschutz bedroht. Oder besser: Von den Plänen der Bukarester Stadtverwaltung, das Delta in ein offizielles Naturschutzgebiet zu verwandeln. Und in diesem ist kein Platz mehr für die Familie und ihre Vorstellung vom selbstbestimmten Leben. Plötzlich bevölkern Minister*innen, Kamerateams und Fahrradfahrer*innen den Vorgarten der Enaches – und das läuft nicht immer konfliktfrei ab. Schließlich müssen die Einsiedler*innen ihr Zuhause verlassen und zurückkehren auf die andere Seite der Schnellstraße, in ein kleines Apartment in einer der vielen Trabantensiedlungen Bukarests. Irgendwo zwischen einer zeitgenössischen Lesart von Thoreau und einer biblischen Vertreibung aus dem Paradies, changiert dieser Film und verfällt dabei niemals den Verlockungen einer schematischen Romantisierung des naturverbundenen Lebens oder der Stilisierung seiner Protagonist*innen zu „edlen Wilden“. Stattdessen zeigt er virtuos die Ambivalenzen auf, wenn es um Urbanisierung und nachhaltige Stadtentwicklung geht und erzählt von den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten einer selbstbestimmten Lebensführung in der heutigen Zeit. (Jens Geiger)… >>>

  • Dauer: 86 Min.
  • Nominierung: Goldener Schlüssel
    • Regie: Radu Ciorniciuc