Esquí


(Filmladen Kassel)

Esquí

Unter der Piste lauert das Grauen: Während sich in den ersten Einstellungen die touristischen Massen im strahlenden Sonnenschein auf gepuderten Hängen vergnügen, formieren sich im Schatten der Liftanlagen düstere Figuren, genährt und gezeichnet von den Traumata dieses Ortes. Bariloche heißt diese Stadt in Patagonien, die als Wintersportparadies bekannt wurde, begründet von österreichischen Alpinist*innen, die in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts den Tourismus in diese entlegene Gegend brachten. Ab 1945 folgten weitere Neuankömmlinge: Zahlreiche geflohene NS-Kriegsverbrecher*innen siedelten sich hier an, unter ihnen der SS-Mörder Erich Priebke, um ein Leben unbelastet von der eigenen Geschichte zu beginnen. Dies ist eine der Vergangenheiten, die unter der Schneedecke schwelt. Eine andere, ebenfalls dunkle Geschichte aus Bariloche ist die der über 500-jährigen, andauernden Unterdrückung und Ausbeutung der indigenen Mapuche. Von der Landnahme der weißen Siedler*innen ausgeschlossen, fristen sie ihr Dasein am sozialen Rand der Wintersportspaßgesellschaft. Sie sind das Tourismusproletariat, unbedingt notwendig für den reibungslosen Betrieb und doch in die Unsichtbarkeit verbannt. Es sind diese multiplen Spuren von Verdrängungen – psychologischen, sozialen und topografischen –, die Manque La Banca in seinem Langfilmdebüt aufzuspüren und visuell zu bannen versucht. Er fördert dieses andere Bariloche zutage, das der Verborgenen, Vergessenen und Verdrängten. La Banca findet eine filmische Form, einer Collage aus kurzen Schlaglichtern, Erinnerungsfetzen und Verweisen gleichend, in der monströse Trugbilder, Nachtgestalten des Unbewussten und Monster aus Mythen und Legenden ans Licht drängen. Es ist ein gespenstischer Ort, das Bariloche aus ESQUÍ, an dem die Grenzen von Mythos, postkolonialer Ethnografie und dem Dokumentarischen verschwimmen. Wenn das Genre des dokumentarischen Horrorfilms existiert, ist dies einer seiner spannendsten Vertreter. (Jens Geiger)… >>>

  • Dauer: 74 Min.
  • Nominierung: Goldener Schlüssel
    • Regie: Manque La Banca