junges dokfest – Programm 1: Realität ist woanders
(BALi Kinos, KulturBahnhof Kassel)
Mit der Erfindung des bewegten Bildes ist uns die Realität nicht nähergekommen, sondern
erneut um ein weiteres Medium ferner gerückt. Seit Beginn der Filmgeschichte haben viele
Dokumentarfilm-Regisseur*innen das verstanden und so dem Blick durch die Kamera auf die Realität
immer auch eine Reflexion der eigenen Medialität anbei gestellt. In fünf Filmen geht das
Programm dieser Tradition nach und hinein in die Gegenwart von Skype, YouTube und 3D-Shootern,
jenen Bildmaschinen, in denen Realität 2020 verhandelt wird.(Alejandro Bachmann)
Film ist ein kopiertes Werk: Seiner Entstehung, zumindest im Analogen, gehen eine Vielzahl solcher Prozesse voraus, die für gewöhnlich nicht sichtbar werden. In Stefanie Weberhofers Kopierwerk werden sie sicht- und spürbar: Im Bild, wo diverse Werke kopiert, gedruckt, vervielfältigt werden und am Film selbst, der das flirrend-delirierende Ergebnis analoger Umkopierungen ist. So treffen Meryl Streep, Warren Beatty und Jim Carrey auf Perforationslöcher, Emulsionsschäden und Lichtschlieren, um gemeinsam das zu beschreiben, was Film ist: Symbol, Zeichen, flüchtige Geister auf der einen Seite, Material, Körper und haptisches Objekt auf der anderen.… >>>
Eine überraschende ASMR-Atmungsuntersuchung. ASMR ist ein populäres Genre von Youtube-Videos, die von speziellen Klängen getragen werden, von denen ihre Macher*innen glauben, dass sie Euphorie erzeugen– eine Art Sound-Porno. DOTS ist ein Teil von Ann Orens Videotagebüchern, einer kurzen Videoserie, die auf die Medienkultur und Instagram speziell mit dem quadratischen Format antwortet und oft Tiere in den Hauptrollen zeigt.… >>>
Seit die Filmemacherin Russland als Kind verlassen hat und mit ihrer Mutter nach Frankreich gezogen ist, sind Bilder eine Form den Kontakt zur alten Heimat zu halten: Alte Videoaufnahmen, mitgefilmte Skype-Gespräche. Als ihre Cousine eine Krebsdiagnose bekommt, erhalten die Bilder eine neue Dringlichkeit: Über Videobilder, Instagram-Nachrichten und Fotografien verhandelt Sans vous, sans moi das Verhältnis aus Nähe und Distanz, das diese Bilder herstellen, indem sie immer zugleich davon handeln, dass etwas da ist was nicht da ist.… >>>
Bilder aus dem Online-Shooter „Battlefield V“ werden zum Ausgangsmaterial einer Reflexion darüber, ob es möglich ist, auszusteigen: Nach und nach überträgt sich die Frage vom konkreten Gegenstand des Spieles auf die Welt außerhalb der Simulation. Robin Klengel, Leonhard Müllner und Michael Stumpf denken über die Realität nach, indem sie eine Simulation befragen und machen so sichtbar, was beides miteinander verbindet. In ihren Interventionen in die Architektur des Spieles steckt so auch eine implizite Aufforderung zum Ungehorsam, das die Bedingung wäre, um das Reale unter dem Imaginären sichtbar zu machen.… >>>
Dauer: 21 Min.
Nominierung:
Goldener Schlüssel
Regie: Leonhard Müllner, Michael Stumpf, Robin Klengel
In acht Minuten, die in Gänze an die Ästhetiken allgegenwärtiger „How to...“-Tutorials auf YouTube erinnern, verhandelt die Filmemacherin Bela Brillowska das Phänomen Magersucht. Mit nervösem Blick in die Kamera teilt sie ihre erfolgreichsten Techniken, den eigenen Körper zu täuschen und vergisst dabei nicht, auf verlinkte Produkte zu verweisen, die üblichen Floskeln digitaler Gemeinschaftsbildung einzustreuen und zugleich effektiv und unterhaltsam zu bleiben. Enthusiastisch und zugleich gequält, ernsthaft und dabei messerscharf satirisch wird so das Ineinander von Körperbildern und Medienrealitäten als untrennbarer Knoten spürbar.… >>>