Das Konzept des Ableismus stammt aus den eng mit der Behindertenbewegung verbundenen
US-amerikanischen Disability Studies und reagiert auf die Diskriminierung, die Menschen aufgrund
von körperlichen Einschränkungen oder neurologischer Diversität erfahren. Was ein Individuum
leisten oder können muss, ist im kollektiven Unbewussten eingeschrieben und jede Abweichung
davon wird als Ausnahme mit negativen Konsequenzen gehandhabt. Die Filme im Programm zeigen
unterschiedliche Positionen über die Legitimität des Andersseins / Anderswerdens, und
offenbaren, wie die normative Gesellschaft auf diese Personen oft mit medizinischen Korrekturen
und ausgrenzenden Anpassungsstrategien reagiert. Ein Plädoyer für mehr individuelles und
strukturelles Engagement, um das „nicht können“ der Menschen nicht als Defizit zu verstehen –
sondern als Chance für mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit. (Maria Morata)
Eine überraschende ASMR-Atmungsuntersuchung. ASMR ist ein populäres Genre von Youtube-Videos, die von speziellen Klängen getragen werden, von denen ihre Macher*innen glauben, dass sie Euphorie erzeugen– eine Art Sound-Porno. DOTS ist ein Teil von Ann Orens Videotagebüchern, einer kurzen Videoserie, die auf die Medienkultur und Instagram speziell mit dem quadratischen Format antwortet und oft Tiere in den Hauptrollen zeigt.… >>>
Ein ehemaliger Militärspiele-Entwickler wird bei einem von der Armee organisierten Videospielwettbewerb entdeckt. Bevor er in den Krieg zog, entwarf er Videospielszenarien, die Soldaten auf Kulturschocks vorbereiten und über potenzielle Traumata hinweghelfen sollten. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg veränderte sich seine Beziehung zu seiner Identität, zum Leben und zum Videospiel.… >>>
Henry Bradley verfremdet in FRENULUM eine tatsächlich existente, höchst kontroverse Operation, indem acht Kinder im Spiel einem Jungen aus ihrer Gruppe einer Zungenoperation (einer lingualen Frenektomie) unterziehen, damit dieser die Phonetik der englischen Sprache besser wiedergeben kann. In manchen Ländern wird dieser Eingriff bereits bei Kindern mit dem Ziel, dass es ihnen später leichter fällt englische Laute zu lernen und auszusprechen, vorgenommen. Während Expert*innen und Mediziner*innen die Wirksamkeit des Eingriffs vehement bestreiten, ist dessen bloße Existenz repräsentativ dafür, wie moderne Berufsanforderungen eine ganze Reihe an global wirksamen soziokulturellen und ökonomischen Zwängen provozieren.… >>>
Der Film lässt Menschen mit der Diagnose Autismus-Spektrum-Störung – genauer mit Asperger-Syndrom – zu Wort kommen. Es sind fundierte Reflexionen über das, was sie von der sogenannten Welt da draußen isoliert, wie ihr soziales Handicap und die Schwierigkeiten in der Kommunikation mit anderen dazu führen, die Störung als Gefängnis zu erleben. Das Beschränkende wie das Zwanghafte spiegelt und verstärkt sich auf der visuellen Ebene: hölzernen bunte Klötzchen werden von Händen mit Gummihandschuhen immer wieder neu arrangiert. Es ist ein Symbol für das Unvermögen, die Struktur einer sozialen Situation zu erfassen. (Anne Katrin Feßler)… >>>
Hedi verhält sich seltsam. Zur Verwunderung ihrer Enkelin erscheint sie nackt zum Frühstück. Doch sie trägt ihre ausgetretenen roten Wanderschuhe, mit denen sie sich plötzlich auf eine befremdliche Bergtour in eine andere Wirklichkeit begibt. Kathrin Steinbachers Animationsfilm IN HER BOOTS wirft uns in die Wahrnehmungswelt einer demenzkranken Frau. Wir sehen die Welt mit ihren Augen und erinnern uns an eine zersplitterte Vergangenheit. Abrupte Perspektivwechsel sorgen dafür, dass wir den Halt im filmischen Raum verlieren. Nichts scheint mehr der Orientierung dienlich, bis plötzlich die Stimme der Enkelin hörbar wird. Ein gleichermaßen sensibler und nahezu körperlich fordernder Film über Kontrollverlust, Identität und Empathie.… >>>
In einer postapokalyptischen Welt, die sich gar nicht so sehr von der gegenwärtigen unterscheidet, wird SUGAR, ein humanoider Roboter, der fühlen, denken und tanzen kann, entsandt, um der Menschheit etwas Menschlichkeit zurückzugeben. Schließlich trifft er auf HON (Human Organism Normal), einen Post-Influencer, der in einer unterirdischen Hightech-Zelle für eine Art immerwährende Werbesendung posiert. Er versucht, HON aus dem Gefängnis seiner Routine, seinen Rede- und Bewegungsschleifen zu befreien und ihr Aufeinandertreffen zu einer wahren Begegnung zu machen – einer Interaktion, einem Dialog. Die tragikomische Erzählung dieser Begegnung und ihres Scheiterns wirft allgemeine Fragen zum Bewusstsein, zum Ego-Turbo-Kapitalismus und zum Traum des Kollektivs auf.… >>>