Das Filmbild vermag die äußere Realität nicht nur widerzugeben, es transformiert sie zugleich. Auch im dokumentarischen Kino liegt das Potential zu einer Neuerfindung der Welt und von sich selbst. Fünf Arbeiten richten zwischen Trauma-Bearbeitung und Utopie den Blick auf die Verhältnisse, die wir zu uns selbst und gegenübereinander einnehmen. Präzise und flickernde, intime und ungestüme Bilder, die imstande sind, ebendiese Verhältnisse nicht nur widerzuspiegeln, sondern ein Stück weit aufzuheben. (Sebastian Markt) TW: Dieses Programm enthält explizite Darstellungen oder Erwähnung körperlicher, seelischer oder sexualisierter Gewalt.
„Frauen zu zweit – das geht zu weit“ ist der wiederkehrende Refrain im Track des feministischen CloudRap-Duos KLITCLIQUE. Im dazugehörigen Clip von Anna Spanlang fungieren die beiden MCs G-Udit und $chwanger als wörtlich zu nehmenden Projektionsflächen für Bilder berühmter Männergespanne, deren Gesichter dabei aber weitgehend unkenntlich werden. Dazwischen: aus Keramik modellierte Gegenstände die sich auf Plattentellern drehen. Wo der Song Dominanzgesten persifliert, untergräbt das Video spöttisch eine Ikonographie der männlichen Verbrüderung. „Du hast keine Zeit, sie ist jetzt vorbei.“… >>>
Während des Lockdowns, der ein physisches Zusammentreffen unmöglich macht, tauschen sich fünf queere Jugendliche über Videokonferenzen darüber aus, wie eine Welt beschaffen sein müsste, um frei von Angst und Diskriminierung zu sein. Die Filmemacher*innen begleiten die Entstehung eines kollaborativen Manifests, und schaffen mit ihren Protagonist*innen zugleich einen neuen filmischen Raum: eine installative Anordnung von Projektionen und Handys, die die kleine Gemeinschaft repräsentiert, und ein utopischer Safe Space, den die Teens in Minecraft entwickeln. Was sie sich wünschen bleibt dabei nicht einfach utopisch, sondern entsteht vor unseren Augen in einem konkreten Umgang miteinander, als virtueller und sozialer Raum.… >>>
„Welches Gesicht willst Du in eine neue Welt tragen?“ fragt eine junge Frau während man sieht, wie sie sich vor dem Spiegel schminkt. Die „Maskierung“ des Makeups kommt in Relation zum karnevalesken ländlichen Ritual des Krampusumzugs: Das ausgestellt virile Aufmarschieren von jungen Männern unter - mitunter monströsen - Masken. Während die Frau dem Umzug beiwohnt, und sich in ihm verlieren lässt, wechseln die Bilder das Register: von einem nüchternen Registrieren zu einem enigmatischen Flackern, dass nicht nur die geschlechtlichen Kodierungen durchkreuzt, sondern in der Maskierung ein transgressives Moment freilegt: „An diesem Abend, zum ersten Mal in meinem Leben, wurde ich, was ich immer wollte: Etwas anderes als ich selbst zu sein.“… >>>
Grobkörnige Super-8 Bilder in leuchtend satten Farben zeigen in Großaufnahmen drei Schwarze Frauen bei ihren Körperroutinen: Duschen und Frisieren, Schminken und Ankleiden, kleine Rituale, die darauf vorbereiten, der Welt entgegenzutreten. Aus dem Off sind dabei ihre Stimmen zu hören: sie sprechen über ihr Verhältnis zu ihrer Haut, ihren Haaren. Über ihren eigenen Blick und den von anderen, ihr Selbstgefühl als Schwarze Frauen. Am Ende des Films sind sie in portraitartigen Einstellungen zu sehen: so wie sie anderen begegnen möchten. Zwischen der Intimität der Sorge um den eigenen Körper und den Gedanken um dessen öffentliche Wirkung entsteht Raum für die Wahrnehmung einer Politik der Körper, die auch erfasst, was scheinbar ganz privat ist.… >>>