Langfilme
In 2023 wurden 56 Langfilm-Beiträge ausgewählt. Einvernehmliche Kriterien, welche die endgültige Programmauswahl prägen, sind die politische, soziale und kulturelle Relevanz der Themen sowie die filmkünstlerische Bearbeitung der eingereichten Beiträge. Neben klassischen Darstellungsweisen sollen seit jeher durch die Präsentation innovativer Formate vermeintliche Grenzen des Genres sowie die Macht, Manipulierbarkeit und Manipulationskraft der Bilder zur Diskussion gestellt werden. Zudem erhalten Low- oder No-Budget-Produktionen und Nachwuchsarbeiten sowie neue Projekte alt bekannter Filmemacher*innen auf dem Kasseler Dokfest in den Sichtungen besondere Aufmerksamkeit. Denn dokumentarfilmische Schaffensprozesse kontinuierlich zu begleiteten, ist uns ebenso ein Anliegen, wie den Perspektiven mutiger und außergewöhnlicher Projekte eine Plattform zu bieten.
Verantwortlich für die Auswahl sind die Mitglieder der Sichtungskommission, die sich aus vier Personen mit unterschiedlichen professionellen Hintergründen zusammensetzt. Neben ihrem Interesse am politischen und kulturellen Weltgeschehen und der Neugier auf mutige und unkonventionelle (Lebens-) Geschichten vereint die Gruppe eine cineastische Obsession für den dokumentarischen Film in all seinen inhaltlichen und ästhetischen Gestaltungsformen sowie die Freude an leidenschaftlichen Diskussionen über die besten Dokumentarfilme für das Kasseler Filmfest.
Selbstverständlich kann aus der zunehmenden Fülle herausragender Arbeiten alljährlich nur ein
Ausschnitt gegenwärtigen Dokumentarfilmschaffens gezeigt werden, der formal und inhaltlich ein
möglichst breites Spektrum abdecken und während der Festivaltage ein ebenso breites Publikum
erreichen soll.
Kurzfilme
Filmemachen ist ein ständiges Aushandeln von Sichtbarkeiten, durch das Neues produziert und alte Bilder ersetzt und überschrieben werden. Wie wir über die Welt sprechen und Bilder dazu erschaffen, ist stark von den Generationen, Epochen und gesellschaftlichen Umständen abhängig, das heißt, Geschichte wird in der Gegenwart geschrieben. Der Blick auf die Vergangenheit ist immer verhandelbar und bleibt etwas, das nicht fixiert werden kann und in einer Ambivalenz lebt. Die Aufgabe des filmischen Arbeitens, sich mit der Geschichte und Erinnerung auseinanderzusetzen, ist eine Herausforderung, aber machbar, das zeigen uns die Kurzfilme des diesjährigen Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestes. Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass es sehr wohl ein falsches Deuten gibt, ein Polarisieren, das Hass schürt, sich von Angst nährt und Ängste erschafft. Die diesjährigen Kurzfilme setzten sich mit diesem Deuten auseinander und debattieren, wie wir eine Erzählung erschaffen können, die nicht polarisiert, nicht diskriminiert, Menschen nicht in Schubladen einteilt, physische und psychische Grenzen abbaut und sich außerhalb nationalstaatlicher Diskurse befindet.
Die sechs Mitglieder der Auswahlkommission hatten die Aufgabe, unter knapp 2.000 eingereichten Kurzfilmen die Trends und Strömungen der aktuellen Filmproduktion zu erfassen. Herausgekommen ist ein Programm, in dem sich vom beobachtenden Dokumentarfilm über abstrakte Animationen, persönliche Essays, queer-politische Videos und künstlerisch-aktivistische Feldversuche, von der Ortserkundung bis zum Familienportrait eine ungeheure Vielfalt der filmischen Auseinandersetzung mit der Realität zeigt.
Nordhessische Produktionen
Eines der erklärten Ziele des Kasseler Dokfestes ist die gleichberechtigte Präsentation von regionalen Arbeiten neben denen der internationalen Filmemacher*innen und Künstler*innen. Im Filmprogramm werden 28 lange und kurze nordhessische Experimental-, Animations-, Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt. Eine Auswahl von 17 Arbeiten konkurriert im regionalen Wettbewerb um den Goldenen Herkules (dotiert mit 3.500 €). Die Rückkoppelung an die Region hat einen hohen Stellenwert für das Kasseler Dokfest. Das Konzept der Gleichrangigkeit von regionalen und internationalen Arbeiten ist einzigartig und von großer Wichtigkeit als Impulsgeber und Kommunikationsort für die heimische Szene. In den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt, dass die regionalen Arbeiten konkurrenzfähig sind und das Festival für sie als Sprungbrett dienen kann, um national sowie international mehr Beachtung zu finden.