Empfohlen ab 14 Jahren Zum Kern der Faszination dokumentarischer Bilder gehört die ihnen zugeschriebene Möglichkeit, Zustände und Vorgänge abzubilden und zu verewigen, Wirklichkeit zu transportieren und zugänglich zu machen. Das Kino macht sich ein Bild der Welt. Indem es das tut, formt es sie aber auch zugleich. Sich ein Bild zu machen ist kein passiver Vorgang, sondern ein schöpferischer. Das Programm umfasst fünf dokumentarische Arbeiten, die auf ganz unterschiedliche Weise Dinge zum Vorschein bringen. (Sebastian Markt)
Eine junge Filmemacherin möchte einen Film machen: eine hybride Form, zwischen Dokumentarischem und Fiktion, über Freund*innen, die Kunst machen wollen. Der nette Professor findet das Konzept gut, und fragt nach der Zustimmung der Protagonist*innen. So weit, so gut. Doch bald häufen sich die Probleme. Der Kameramann hat Zweifel am Drehbuch, das ihm zu dialoglastig scheint. Der eine Künstler ist zu erfolgreich, um noch viel Zeit zu haben, die andere fühlt sich durch das Konzept zu sehr in das Bild einer Erfolglosen gedrängt. Der eigene Wunsch zu erzählen und sichtbar zu machen, gerät in Konflikt mit den Wünschen der anderen, gesehen und nicht gesehen zu werden. „Warum nicht Schauspieler*innen verwenden?“, fragt der Kameramann. Mit viel Humor und Selbstironie erzählt Kai Ro Liao von komplexen Verhältnissen des Dokumentarischen zur Wahrheit.… >>>
Der Blick aus dem Fenster fällt auf Landschaften, die immer kleiner werden, Wolkendecken, auf- und untergehende Sonnen. Aufnahmen, die viele von uns schon selbst gemacht haben, aus dem Fensterplatz im Flugzeug: ein touristischer Blick. Die Stimmen aus dem Off erzählen hingegen von etwas Unerhörtem. Auf der Reise zu einem Festival, das ihren Film zeigt, müssen zwei Filmemacher aus der Republik Kongo in Angola umsteigen. Bei der Passkontrolle wird ihnen vorgeworfen, dass ihre Papiere gefälscht seien, sie landen in einer albtraumhaft kafkaesken Haft, aus der es fast unmöglich scheint, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Mit einem unmöglichen Bild löst die Arbeit des Collectif Faire-Part die Paradoxie auf, dokumentarisch von einem Aspekt des zeitgenössischen Grenzregimes zu erzählen, das hartnäckig vor dem Blick der Öffentlichkeit verborgen ist.… >>>
„Sara verpasst den Einzug in den das Finale der Staatsmeisterschaften“ würde der volle Titel von Silvia Poeta Paccatis dokumentarischer Miniatur in etwa lauten. Der Titel ist das einzige, das der Film an faktischer Information hergibt. Das Bild, das er uns zeigt, ist eine einzige lange Einstellung. Es folgt aus einiger Distanz einem Mädchen bei einer Sportveranstaltung, zeigt sie im Gymnastikdress auf dem Weg durch den Saal, wo sie, emotional sichtlich aufgelöst, neben einer älteren Frau zum Stehen kommt, die dann lange auf sie einspricht. Was die beiden sprechen, ist nicht zu hören, Mimik und Gesten sind hingegen deutlich zu sehen. So entspinnt sich in den Köpfen der Zuschauer*innen ein Drama, das sich von der Leinwand in die Vorstellung verschiebt.… >>>
Für sie sind Spiegel abstrakt, sagt Kelsey, ein gewöhnlicher Gegenstand. Für Sehende sind sie wichtig, als Mittel, sich ihrer selbst zu vergewissern. Blinde Menschen schaffen sich ihr Selbstbild auf anderen Wegen, aus Tönen, aus gelebten Momenten. Der Film beobachtet junge Blinde dabei, wie sie mit der Welt interagieren, im Hören und Tasten, Lesen mit den Fingerspitzen, Schreiben auf der Punktschriftmaschine und er hört ihnen zu, wenn sie von einer Welt erzählen, die ohne Sichtbarkeit auskommt. Dazwischen entwirft er Bilder, die von der Welt, wie Sehende sie erfahren, abstrahieren. Sich mit den Mitteln des Kinos der Welterfahrung blinder Menschen anzunähern, ist ein Unterfangen, dass der Regisseur selbst unmöglich nennt. Doch auch im Scheitern wird etwas sichtbar.… >>>
Ein Tag am Meer, nebliger Blick ins Offene, Füße in der Brandung, Buhnen und Möwen, zwei schemenhafte Gestalten in der Ferne. Und aus dem Off trällert ein fröhliches Lied: „Ich bin hier allein, weil es neblig ist und regnet. Aber das ist mir scheißegal, und die Wellen kommen zurück [...] I am a photographer, in motion and in still.“ Dagie Brundert arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten mit Super 8 Filmen, die oft Persönliches, Alltägliches aufgreifen und daraus eine ganz eigene Kinomythologie erschaffen. Ihr jüngster, in Algen, Vitamin C und Waschsoda entwickelter Film, wirft einen Blick zum Horizont, auf den Boden, wo der eigene Körper auf die Welt trifft. Und stellt ganz beiläufig weitschweifende Fragen. Was sieht man, wenn man auf sich selbst blickt?… >>>