Ausstellung
Monitoring gibt Film- und Videoinstallationen sowie anderen zeitbasierten Medienarbeiten, deren Präsentationsform über die klassische Leinwand- oder Kinosituation hinausgeht, einen eigenen Rahmen und präsentiert sowohl etablierte Künstler/innen, als auch vielversprechende Nachwuchstalente. Aus 292 internationalen Einreichungen hat die Auswahlkommission in diesem Jahr sechzehn Installationen ausgewählt, darunter Arbeiten von Künstler/innen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Kanada und den USA. Die Einreichungen folgen alljährlich einer offenen Ausschreibung, bei der weder inhaltlich-thematische, noch die Präsentationsmedien betreffende Einschränkungen vorgegeben werden. Bei der Auswahl werden der Bezug zum Raum und die thematische Aktualität berücksichtigt. Alle Arbeiten in der Ausstellung sind für den mit 3.500 € dotierten Golden Cube für die beste Medieninstallation nominiert. Der Preis wird von der Softwarefirma Micromata GmbH gestiftet.
Monitoring 2014 – eine Ausstellung zwischen Dystopien und Ordnungssystemen
Als Träger von Erinnerung, als atmosphärische Komposition oder digital generierte Simulation, als Bezugspunkt naiver Sehnsüchte oder Sinnbild einer Dystopie – jene Einschreibungen mit denen geografische wie symbolische Räume und Orte versehen werden, bilden einen roten Faden, der die höchst unterschiedlichen, künstlerischen Arbeiten von Monitoring verknüpft. Diese Ortserfahrungen reichen von ebenso unbehaglichen, wie verführerischen, digital animierten CI-Lebenswelten bis hin zu der bedrohlich- geheimnisvollen Unnahbarkeit militärisch genutzter Areale. Dabei gehen die Installationen und Filmarbeiten über das Konzept der reinen Dokumentation eines Ortes hinaus – Orte werden zu Impulsgebern, um die sich größere Themenkomplexe spannen: So widmet sich Daniel Laufer in REDUX dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee, auf dem im nationalsozialistischen Deutschland noch jüdische Bestattungen durchgeführt wurden und Verfolgte Schutz fanden. Grund für diese Ausnahmeerscheinung sei, so Gerüchte, die Furcht der verantwortlichen Nationalsozialisten vor dem Golem, einem aus jüdischen Legenden bekannten Lehm- Geschöpf, das sich gegen Feinde der Juden zur Wehr zu setzen vermochte. Doch liefert der jüdische Friedhof in REDUX vielmehr einen Anstoß zum Nachdenken über intertextuelle Verdichtungen, Reflexionen über das Medium des Films und die Macht geschichtlicher Erzählungen.
Mit der Auslöschung bestehender Narrative und Erinnerungen beschäftigt sich die Arbeit FAREWELL, SWEET MEMORIES von Valerian Blos. Unter einer Glasglocke liegend, spielt Blos’ Instrumentarium aus dem documenta Archiv in Kassel stammende Tonbänder ab. Erhalten bleibt die Aufnahme allerdings nur, solange sich eine Zuhörerin oder ein Zuhörer findet. Ein Magnet im Instrumentarium sorgt dafür, dass die Aufnahmen gelöscht werden, sobald niemand mehr lauscht. Der radikale Verlust von Geschichte in der Arbeit von Blos findet in NOTHING TO RETAIN von Julia Weißenberg einen ironischen Antipoden: Die Künstlerin zeigt Aufnahmen eines Modells eines von Ludwig Mies van der Rohe 1930 entworfenen Golfclubs in Krefeld. Dieser wurde aufgrund wirtschaftlicher Probleme niemals gebaut – 2013 jedoch realisierte ein belgisches Architekturbüro einen temporären Nachbau des Entwurfs an dem dafür ursprünglich vorgesehenen Standort – heute ein Rübenacker. Die Kamerafahrten durch das menschenleere Modell sind Zeugnisse einer unwirklich scheinenden und beinahe tragikomischen Situation.
Vom Umgang mit Stereotypen und klischeehaften Sehnsüchten, die mit geografischen Ortszuweisungen verbunden sind, handelt die Arbeit GREEN OUT von Elsa Fauconnet. Die westlichen Projektionen auf die Klimazone der Tropen als das exotische Andere kulminieren in der künstlichen Nachahmung vermeintlich geografischer und kultureller Authentizität. Während Fauconnets Fokus auf den imaginierten und trügerischen Konnotationen liegt, sind die Einschreibungen in das Terrain, welches Wim Catrysse in RESTRICTED AREAS betritt, überaus real und doch ebenso wenig zu fassen: Die Kamerafahrten zeigen militärische Areale in der Wüste Kuwaits, deren Begehen untersagt ist. Das Militär bleibt nur indirekt präsent, verborgen in der Tiefe der Wüste, außerhalb der Sichtweite der Kamera. In militärischen Räumen bewegt sich auch UNMANNED DISTANCES von Betrand Flanet. Auf einem Split-Screen verfolgt der Betrachter/die Betrachterin die sich entspinnende Liebesgeschichte zweier Frauen, die zwar dieselbe Realität, nicht aber die gleiche Wahrnehmung dieser teilen: Kalki ist Drohnenpilotin, ihr Blick auf die Welt ist identisch mit dem einer Wärmebildkamera, die mit einer Drohne über Krisengebieten patrouilliert. Malines und Kalkis Gespräche zeugen von den multiplen Ortserfahrungen und Perspektiven, die von technischen Innovationen generiert werden und vermitteln die Schwierigkeit, angesichts dieser, das eigene Selbst zu verorten.
An den Grenzen zwischen virtuellen und realen Räumen bewegt sich auch die Arbeit STREET VIEWS der Künstlerin Annie Berman, die ihre Protagonistin durch die Stadt wandern lässt, vorbei an Menschen, eingefroren in der Zeitlosigkeit der Google Street View-Animation. Als derivé bezeichnete Guy Debord das ziellose Umherschweifen in einer Stadt, welches Annie Berman auf der Suche nach den Spuren von etwas Menschlichem auf den virtuell konservierten Stadtraum überträgt. Die unmittelbare (Raum-)Erfahrung und Methoden der Bildproduktion stellen die Offenbacher Künstler/innen Tilman Aechtner, Carolin Liebl, Yoonsun Kim, Nikolas Schmid-Pfähler in den Mittelpunkt: Die LICHTMASCHINE produziert durch einem komplexen Aufbau aus Leinwänden, kinetischen Objekten, Leuchtdioden und Videokameras Schattenbilder und Lichtspiele, die den Ausstellungsraum atmosphärisch füllen. Raumgreifend funktioniert auch GEWANDEL 4 von Kristina Berndt. Durch Takt, Choreografie und Uniform gleichgeschaltete Frauen marschieren und tanzen auf vier Projektionsflächen. Die auf einem Screen beginnende Bewegung wird auf dem gegenüberliegenden fortgesetzt: Immateriell durchschreiten die Frauen den Raum dazwischen. Die in diesem Jahr in Monitoring präsentierten Arbeiten erweitern die Grenzen des kinematographischen Raumverständnisses und interpretieren diesen auf unterschiedlichste Weise – medial wie künstlerisch. Sie zeigen, dass angesichts neuer Darstellungs- und Wahrnehmungsformen, neue Räumlichkeiten und Verortungen entworfen werden, deren Koexistenz mit konventionellen Sehgewohnheiten und Perspektiven, neue Raumkonzepte hervorbringen kann. (Text: Ann-Charlotte Günzel)
Aus der Pressemitteilung zur diesjährigen Monitoring-Ausstellung (2.10.2014):
Die Medienkunst-Ausstellung Monitoring erweitert den kinematografischen Raum des Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestes um sechszehn installative Medienarbeiten, die im Kasseler Kunstverein, im Südflügel und Stellwerk im KulturBahnhof sowie in der Galerie Coucou präsentiert werden. Die Arbeiten zeigen, dass angesichts neuer Darstellungs- und Wahrnehmungsformen, neue Räumlichkeiten und Verortungen entworfen werden, deren Koexistenz mit konventionellen Perspektiven und Sichtweisen, neue Raumkonzepte möglich machen. Orte werden dabei inhaltlich wie räumlich zu Impulsgebern, um die sich größere Themenkomplexe spannen: Daniel Laufer widmet sich in seiner multimedialen Installation REDUX dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee - doch bildet dieser Ort vielmehr einen Anstoß für das Nachdenken über intertextuelle Verdichtungen, Reflexionen über das Medium des Films und die Macht geschichtlicher Erzählungen. Mit der Auslöschung bestehender Narrative und Erinnerungen beschäftigt sich die Arbeit FAREWELL, SWEET MEMORIES von Valerian Blos, dessen Hinweis auf den Verlust von Geschichte in NOTHING TO RETAIN von Julia Weißenberg einen ironischen Antipoden findet. Diese setzt sich mit der Vergänglichkeit von Ideen und Vorstellungen auseinander und geht dabei der Frage nach, was genau passiert wenn man den Versuch unternimmt etwas Vergangenes in die Gegenwart zu holen.
Unmittelbare (Raum-)Erfahrung und Methoden der Bildproduktion stellen unter anderem die Offenbacher Künstler/innen Tilmann Aechtner, Carolin Liebl, Yoonsun Kim und Nikolas Schmid-Pfähler in dem Südflügel des Kulturbahnhofes vor. Die LICHTMASCHINE produziert durch einen komplexen Aufbau Schattenbilder und Lichtspiele, die den Ausstellungsraum atmosphärisch füllen. Raumgreifend funktioniert auch GEWANDEL 4 von Kristina Berndt, die durch Takt und Choreografie den Ausstellungsraum vermisst. Lukas Thieles Installation AM RANDE DER ZEIT bezieht sich auf die Anfänge des Kinos in Form der Zoetrope und trifft in der Galerie Coucou auf aktuelle Entwicklungen in der VR-Technik (Virtuelle Realität): In GEISTERBAHN kann der/die Besucher/in in verschiedene, dreidimensional animierte Erlebniswelten eintauchen. Als Träger von Erinnerung, als atmosphärische Komposition oder digital generierte Simulation, als Bezugspunkt naiver Sehnsüchte oder Sinnbild einer Dystopie - jene Einschreibungen mit denen geografische wie symbolische Räume und Orte versehen werden, bilden einen roten Faden, der die höchst unterschiedlichen, künstlerischen Arbeiten von Monitoring verknüpft. Diese Ortserfahrungen reichen von ebenso unbehaglichen wie verführerischen, digital animierten CI-Lebenswelten bis hin zu der bedrohlich-geheimnisvollen Unnahbarkeit einst militärisch genutzter Areale.