Mit dieser Hommage würdigen wir unseren Kollegen Frank Thöner, der nach kurzer, schwerer Krankheit im Dezember 2019 im Alter von 59 Jahren gestorben ist. Frank Thöner hat 40 Jahre lang das kulturelle Leben der Stadt Kassel mitgeprägt und aus seiner Hingabe und Leidenschaft seinen Beruf gemacht. Er war Gründungsmitglied des Filmladen Kassel, der am 11.06.1981 seinen Spielbetrieb aufnahm. 1982 initiierte er das Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest und war seitdem dem Festival als Mitarbeiter und Ratgeber eng verbunden. 1991 legte er den Grundstein für das Kasseler Open-Air Kino. 1995 gründete er – zusammen mit vier anderen Kinobegeisterten – die BALi Kino GmbH, die neben den zwei Sälen im KulturBahnhof, seit 2001 auch das Gloria Kino in Kassel betreibt. Unvergessen sind die zahlreichen Veranstaltungen mit Musik und Film, die seine Leidenschaft und Liebe für das „besondere“ Kino zwischen „La dolce vita“ und „Das Leben ist eine Baustelle“ zum Ausdruck bringen.
Gerockt und Nazis abgeblockt | Ralf Wenzel im Gespräch mit Irmhild Scheuer
Ein Film über die antifaschistischen Aktionen der Rock-gegen-Rechts-Initiative am 16./17.6.1980
Regie und Umsetzung: Klaus Fischbach, Iris-Angela Klett, Frank Thöner, Sigrid Fischbach
Deutschland 1980 / 42:42 Min.
Gekürzte Fassung: Deutschland 2020 / 6:50 Min.
Frank Thöner hat ein umfangreiches filmisches Werk hinterlassen. Mit 18 Jahren dokumentierte er Kasseler Schüler*innendemonstrationen, engagierte sich in der Filmwerkstatt Kassel und beteiligte sich an dem 23minütige Film „Selbstdarstellung – 3 Versuche“, der die Lebenswelt von drei Jugendlichen porträtierte. Zahlreiche Dokumentationen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit entstanden in den folgenden Jahren auf Video und Film, bis er seine Liebe zur Ton-Dia Schau entdeckte. Zu dem Film GEROCKT UND NAZIS ABGEBLOCKT schreibt er in seinem Lebenslauf: „der Film wurde von mir selbst verliehen und lief in über 30 Städten bis die Kopie nicht mehr spielbar war“.
Der Störenfried – Ermittlungen zu Oskar Brüsewitz | Thomas Frickel im Gespräch mit Irmhild Scheuer
Der Störenfried – Ermittlungen zu Oskar Brüsewitz (Deutschland 1992 / 94 Min.) ist ab dem 19.11. unter https://kasseler-dokfest.culturebase.org sichtbar.
Weniger bekannt sind Frank Thöners Aktivitäten als Filmemacher und als Verleiher. Zu Beginn der 90er Jahre organisierte er den Vertrieb für einen Film, der ihm sehr wichtig war und für den er unerschrocken neue Wege einschlug. Dazu schreibt Thomas Frickel:
„1992 war eine Film-Tournee durch die so genannten „Neuen Bundesländer“ noch ein Abenteuer. Doch genau dort sollte mein Film „Der Störenfried – Ermittlungen zu Oskar Brüsewitz“ schwerpunktmäßig ausgewertet werden. Nicht nur von den wenigen Filmclubs, die die Wende überstanden hatten, sondern auch von Stadtverwaltungen und Kirchengemeinden, die zwar jede Menge Interesse, Enthusiasmus und guten Willen, aber keine auch nur halbwegs brauchbare Kino-Infrastruktur zu bieten hatten. Von Kommunikationsproblemen durch das immer noch marode Telefonnetz im Osten mal ganz zu schweigen. E-Mail und Mobilfunk gab es noch nicht, und Briefe wurden noch mit der Schreibmaschine geschrieben.
In einer solchen Situation braucht es einen absoluten Spezialisten – und Frank war einer. „Die organisatorische Umsetzung des Vertriebskonzepts würde Frank Thöner, Mitarbeiter des mehrfach ausgezeichneten Programm-Kinos „Filmladen Kassel“ und in dieser Eigenschaft zugleich Initiator und Leiter des Internationalen Kasseler Dokumentarfilmfestivals, übernehmen. Frank Thöner kennt die Abspielsituation in den neuen Bundesländern durch enge Kontakte zu Kino-Machern in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, wo er erst kürzlich wieder an der Zusammenstellung einer in mehreren Städten gezeigten Dokumentarfilm-Reihe beteiligt war“, stand damals in meinem Förderantrag – und das überzeugte die Gremien nicht nur in Hessen, sondern auch in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Sie gaben das Geld, und wenig später erhielten Kinos und andere Veranstalter Post vom „Vertriebsbüro Der Störenfried, c/o Filmladen, Goethestraße 31, 3500 Kassel“. Ein frühes Beispiel für „booking und billing“-Vertriebsmodelle, die sich in der Branche erst viele Jahr später durchgesetzt haben…
Mehr noch: Frank gestaltete die Pressemappe, und zur Premiere in der Kleinstadt Zeitz, Schauplatz der dokumentierten dramatischen Ereignisse um Oskar Brüsewitz und Drehort des Films, aber auch zu Veranstaltungen im Eisenacher Theater oder im weltberühmten Naumburger Dom reiste er mit mobiler Projektionsanlage an und übernahm persönlich die Vorführung. Denn für mobiles Kino hatte Frank eine besondere Vorliebe: in der Wendezeit entstand seine Foto-Dokumentation über einen Landkino-Vorführer in der DDR – zur gleichen Zeit, als ich, ohne von seiner Arbeit zu wissen, meinen Kurzfilm „Der Kinomann“ drehte. Auch das hat uns verbunden…“.
Thomas Frickel war über 30 Jahre Vorsitzender und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) und prägte mit seinem Engagement die film- und medienpolitische Interessenvertretung des Dokumentarfilms.