Ausstellung
Die diesjährige Konzeption von Monitoring orientiert sich an Fragestellungen zu digitaler Überwachung, ergründet Möglichkeiten und Qualitäten von Privatsphäre, thematisiert politische und gesellschaftliche Ideologien der Vergangenheit und skizziert alternative Zukunftsperspektiven. Trotz der unterschiedlichen Behandlung dieser Themenkomplexe durch die einzelnen künstlerischen Beiträge, treten die Suche nach Wahrheit und die Frage nach dem Zugang zu Wissen und dessen Vermittlung zwischen den Generationen als roter Faden durch die Ausstellungsorte hervor.
Die im Juni 2013 enthüllten Spionagetätigkeiten des amerikanischen Geheimdienstes in Zusammenarbeit mit verbündeten Staaten, welche die globalisierte Überwachung der Kommunikationssysteme und des Internets betreffen, und die darauf folgende Rechtfertigung Barack Obamas, dass totale Sicherheit und totale Privatsphäre nicht gleichzeitig ohne Einschränkungen zu realisieren seien, bilden den Bezugrahmen von 100% SECURITY. Mit ihrer Arbeit zeichnen Jörn Röder und Jonathan Pirnay exakt das nach, was die politische Realität darstellt – eine „überwachte Freiheit“: Die Künstler stellen ein freies WLAN zur Verfügung, fangen aber die Daten ab und veröffentlichen diese. Die sich hieraus ergebende Ambivalenz macht 100% SECURITY zu einer zentralen Arbeit für den gesamten Ausstellungskontext, an die !Mediengruppe Bitnik mit DELIVERY FOR MR. ASSANGE und Christoph Wachter und Mathias Jud mit BLACKLIST direkt anknüpfen.
Im Januar dieses Jahres gaben !Mediengruppe Bitnik ein Paket auf, das an Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London adressiert war. Der Inhalt dieser Sendung bestand aus einer Kamera, die aus dem Paket heraus nicht nur den Postweg filmisch verfolgte, sondern dem Adressaten, eine Plattform und einen direkten Zugang zur Öffentlichkeit verlieh. Hiermit gaben die Künstler Assange ein wenig von dem zurück, was er als politischer Aktivist mit der Veröffentlichung geheimer Daten auf WikiLeaks zuvor für die Allgemeinheit tat.
Während in vielen Ländern Formen der Zensur von Webinhalten vorherrschen, ermittelt das Projekt BLACKLIST ausgeblendete, gelöschte oder verbotene Bilder und Inhalte und macht sie als Zeichnungen oder Phantombilder erneut sichtbar. Mit Nicht-Sichtbarkeit wiederum beschäftigt sich Kurt Caviezel in NO VIDEO, einer Bilderserie aus Inkjet-Prints, die die Signale von Webcams, die außer Betrieb sind, abbildet. Sie zeigen also nicht das eigentlich Sichtbare, sondern sind ein Platzhalter. Die Frage nach der Echtheit und somit auch der Wahrheit der Bilder und ihrer vermittelnden Aussage wird aufgeworfen und von Gilles Fontolliet fortgeführt. Mit seiner Arbeit THE TANK, THE MAN AND THE STREET. benutzt er ein Bild aus dem kollektiven Gedächtnis: Proteste der Bevölkerung in Peking 1989, ein Mann blockiert den Fahrweg der Panzer auf dem Tian'anmen-Platz. Die auf diese Aktion gefolgte Zensur von Bildern und Filmen der Szene, greift Fontolliet auf und lässt in China eine Bilderfolge produzieren, in der nach und nach alle Beteiligten und Objekte retuschiert werden und schließlich nur noch eine leere, friedliche Straße zu sehen ist.
Die Frage nach der Macht der Bilder und nach dem, was sie vermitteln und wie sie Situationen wiedergeben, leitet über zu den Arbeiten im Südflügel des KulturBahnhofs, wo Frank Reimer den SITUATION ROOM installiert. Sich an dem berühmten Pressebild orientierend, das Barack Obama und seine Regierungsvertreter in dem Moment festgehalten hat, in dem sie den tödlichen Schlag gegen Osama bin Laden verfolgen, baut er ein Film-Setting nach. Die Besucher/innen können sich darin frei bewegen, aber finden ihr Abbild auf einem Monitor wieder. An jenem Ort, wo Obama der Exekution bin Ladens zuschaut, konfrontiert Reimer die Besucher mit dem Abbild ihrer selbst und stellt dabei Akteur und Beobachter auf eine gleiche (Bild-)Ebene. Die dabei hervortretende Abstrahierung von Aktion erweist das Bild als distanzierten Vermittler.
Auch Gabriela Golder bezieht sich auf das Bild und das Abbildende. Sie inszeniert mit CONVERSATION PIECE ein Generationengespräch über das kommunistische Manifest. Mit ihrem Video-Tryptichon bezieht sie sich formal auf die kunsthistorische Gattung des familiären Gruppenportraits und die Genremalerei, die in Alltagsszenen moralische Appelle enthielt. Während die Großmutter im Gespräch mit ihren Enkeln Fragen über das kommunistische Manifest beantwortet, gibt uns die Künstlerin einen Hinweis darauf, Geschichte und in diesem Fall eine politische Ideologie erneut aufzurufen und aus neuen Perspektiven zu betrachten – ohne dabei den Hinweis auf den subtil hervorscheinenden Zeigefinger des moralischen Appells außer Acht zu lassen. Die Vermittlung zwischen Generationen bestimmt auch den Kontext der Videoinstallation von Jasmina Cibic. In FRAMING THE SPACE thematisiert sie anhand der architektonischen Umgestaltung der Sommerresidenz des jugoslawischen Staatschefs Tito den Gebrauch von Kunst als Mittel zur Demonstration nationaler Identität und Repräsentation.
Vom Kunstobjekt kommen die Besucher/innen zum Material, das in Fabian Wendlings Installation REMIS auf den ersten Blick nicht sichtbar hervorsticht. Der zunächst scheinbar leere Raum erweist sich schnell als bedrohlich, sobald man die Magnete wahrnimmt, die die sorgfältig austarierten Gummibänder halten – eine bewusst evozierte Gefahr im Raum, direkt über den Köpfen der Besucher/innen.
Überwachung oder Freiheit, Retusche oder Widerstand, Unterwerfung oder die Suche nach Alternativen – welche Handlungsmöglichkeiten können abgerufen und welche Zukunftsperspektiven neu diskutiert werden? Das sind die zentralen Themen der Ausstellung, die aufzeigt, das Kunst das Potential hat, Alternativen neu zu denken.