RICKY on LEACOCK
Als junge Filmemacherin begegnete Jane Weiner einem der einflussreichsten Wegbereiter dokumentarischen Filmschaffens. Richard Leacock (1921-2011) hatte gerade mit Kolleg/innen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge eine Super 8-Kamera entwickelt. Mit der Entwicklung einer kostengünstigen Kamera sollte die Filmproduktion im doppelten Sinne des Wortes wieder zurück in die Hände der Filmemacher/innen gelegt werden. Die bezahlbare mobile Kamera ermöglichte unmanipulierte Tonaufnahmen und wurde zum Werkzeug der Dokumentarfilmschule des „Direct Cinema". Markenzeichen dieser Strömung, wie auch der französischen Ausprägung des „Cinéma vérité", ist die Kamera als teilnehmende Beobachterin, die mit synchronen Tonaufnahmen dem Geschehen folgt . Den Durchbruch feierte diese Art des Filmemachens mit der Fernsehdokumentation „Primary“, die den Vorwahlkampf zur Präsidentschaftswahl in den USA 1960 begleitete. Leacock war neben Al Maysles und D.A. Pennebaker als Kameramann an der Produktion von Robert Drew beteiligt. Leacock's Bestreben war es zeitlebens, es dem/der Zuschauer/in zu ermöglichen, ein Gefühl für die reale Situation zum Zeitpunkt der Aufnahme zu bekommen – „The feeling of beeing there“ (Leacock).
Leacock war für Jane Weiner nicht nur Mentor. Private Filmaufnahmen einer über 38 Jahre aufrecht erhaltenen freundschaftlichen Verbindung bilden die Grundlage für die sehr persönliche Perspektive auf Leben und Werk des bis ins hohe Alter umtriebigen Dokumentarfilmimpresarios.
Das filmische Rendezvous beginnt und endet in der Küche des leidenschaftlichen Kochs, für den ein gutes Essen mit Gleichgesinnten stets Anlass für filmtheoretische wie politische Debatten bot. Zwischendurch wird die Intimität privater Gespräche diskontinuierlich unterbrochen durch Einblicke in das Leben und Wirken Leacock's. Archivaufnahmen mit den genannten Wegbegleitern seit „Primary“ sowie Henri Langlois, Jean Rouch u.a., und Filmausschnitte aus seinem Werk ermöglichen es, einen wichtigen Teil der Geschichte des dokumentarischen Filmschaffens nachzuvollziehen.
Durch die Zusammenstellung des gesammelten Filmmaterials gelingt Jane Weiner eine andere Form des biografischen Films. Zum einen findet sie Dokumente, die Antworten auf ihre Fragen an den Lehrer und Freund anbieten. Zum anderen wird der Versuch unternommen, den Protagonisten anhand des ausgewählten Filmmaterials ganz für sich selbst sprechen zu lassen. Ein ebenso spannendes wie informatives Experiment.
- Frankreich, Vereinigte Staaten von Amerika
- 89:14 Min.
- Regie: Jane Weiner
- Production: Diane Markrow, Jane Weiner
- Kamera: Jane Weiner, Jeff Kreines, Boris Carreté
- Schnitt: Sebastián Eyherabide, Jane Weiner
- Musik: Steve Roach
- Ton: Pam Wise, Jane Weiner, Jeff Kreines
- Sprache: englisch
- Untertitel: englische
- Jahr: 2012