Filmisches Gedächtnis
Zu filmen heißt, dem Gedächtnis und den Archiven zuarbeiten. Tritt man aber einen Schritt zurück hinter diese vermeintliche Selbstverständlichkeit, so findet man dort, wo es um Erinnern und Aufbewahren geht, immer auch die Spuren des Gegenteils: zerstörte Bilder (weil die Physik an ihnen frisst, oder jemand sie nicht sehen wollte);vergessene Zusammenhänge (z.B. die kolonialen);gefälschte Landschaften, bröckelnde Kulissen, unverständlich gewordene Filmgeschichten. Dabei zeigt sich, dass nicht jeder Gedächtnisverlust eine Katastrophe ist, sondern auch die Möglichkeit neuer Geschichten enthält.
Black Box Recorder
„Sie filmten Babys. Sie filmten Tiere. Sie filmten die Sonne." Ein zweiminütiger Fingerzeig in eine Zukunft, in der die Menschheit sich zum Rätsel geworden ist und nur noch eine körperlose Stimme zum Gesprächspartner hat.
- Vereinigte Staaten von Amerika
- 00:02:19
- Regie: Abinadi Meza
- Production: Abinadi Meza
- Kamera: Abinadi Meza
- Schnitt: Abinadi Meza
- Musik: Abinadi Meza
- Ton: Abinadi Meza
- Sprache: en
- Jahr: 2013
- Europapremiere
Toxic Camera
Nur wenige Tage nach der Reaktorexplosion in Tschernobyl, so geht die Geschichte dieses Films, flog der Filmemacher Wladimir Schewtschenko über die Region und filmte die nuklear verseuchte Landschaft. Anstatt jedoch lediglich zu registrieren, was zu sehen war, nahm seine Kamera die radioaktive Strahlung direkt auf und bannte sie als Flecken auf den Film, wo sie später wie Tropfgeräusche auf der Tonspur hörbar wurde. An realen, mit der Katastrophe verbundenen Orten inszenieren Jane und Louise Wilson eine wissenschaftliche Recherche, in der sich die weitgehend unsichtbare Bedrohung, die von der atomaren Strahlung ausgeht, ebenso niedergeschlagen hat, wie die Erinnerung an Tarkowskijs Stalker, der die Bilder einer verseuchten Zone mehrere Jahre vorweggenommen hatte und der nach "Tschernobyl" plötzlich ein Requiem auf die Zukunft war.
- Großbritannien
- 00:20:59
- Regie: Jane Wilson, Louise Wilson
- Production: Ohna Falby
- Kamera: Martin Testar
- Schnitt: Daniel Goddard
- Ton: Philippe Ciompi
- Sprache: en
- Jahr: 2012
Cacheu
Cacheu, eine Festung an der Küste Guinea-Bissaus, war einer der zentralen Stützpunkte des portugiesischen Sklavenhandels. Bei einem Besuch in der Ruine stieß die Filmemacherin dort auf die demontierten Statuen portugiesischer „Entdecker“, die zur Kolonialzeit in der Hauptstadt Bissau ihre steinerne Botschaft manifestierten, die aber auch in mehreren Filmen als Komparsen herumgegeistert sind, unter anderem in „Sans Soleil“ von Chris Marker. CACHEU inszeniert dieses zerklüftete Bildgedächtnis als performative Recherche zur portugiesischen Kolonialgeschichte.
- Portugal, Deutschland
- 00:10:20
- Regie: Filipa César
- Sprache: en
- Jahr: 2012
Tirana
In dem Film „Wag the Dog" (1997) von Barry Levinson figurierte Albanien als das ideale Schlachtfeld für einen Krieg, der gar nicht stattfand. Eine Szene daraus wäre für Alexander Schellow der ideale Einstieg in seinen Film gewesen. Denn die Prämisse ist, dass das Land noch immer eine weiße (Projektions-)Fläche auf der Landkarte ist, während es de facto eine alle Lebensbereiche erfassende Transformation durchmacht. Da sich der Künstler die Bildrechte an dem Hollywood-Drama nicht leisten kann, steht am Anfang seiner Reise ein fehlendes Bild. Aber eine Leerstelle setzt oft ungemeine Dynamiken frei und bald wird klar, dass der Künstler nicht der einzige ist, der sich sein Albanien fingiert. Auch EU-Emissäre und Stadtplaner jonglieren mit Bildern und Karten, hinter denen die Wirklichkeit verschwindet.
- Deutschland, Frankreich
- 00:26:00
- Regie: Alexander Schellow
- Production: Jean-Laurent Csinidis, Alexander Schellow
- Kamera: Alexander Boboschewski
- Schnitt: Manuel Stettner
- Musik: Jean-Marc Montera
- Ton: Jean-Michel Tresallet
- Sprache: de
- Untertitel: de
- Jahr: 2012
- A38-Produktions-Stipendium
- Deutschlandpremiere
Petite histoire des plateaux abandonnès
Die Landschaft Marokkos hat eine lange Geschichte als Filmset. Historiendramen wie „Lawrence of Arabia", diverse Sandalenfilme, oder auch Horrorschinken wie „The Hills Have Eyes" wurden hier gedreht. Die Kulissen stehen vielerorts noch und sehen von weitem aus wie die Ruinen früherer Zivilisationen. Aus der Nähe betrachtet gehören sie zu dem unaufhörlich produzierten Müll der Warenwelt und die Touristen fotografieren sie wohl als Monumente der eigenen Freizeitgeschichte. PETITE HISTOIRE DES PLATEAUX ABANDONÉS spielt mit Assoziationen und Blicktäuschungen und spürt in den Erinnerungen der Anwohner dieser Drehorte noch das Echo der Filmdialoge auf, die lange verhallt sind.
- Italien, Marokko
- 00:08:24
- Regie: Ra di Martino
- Production: MARCO ALESSI Dugong
- Kamera: HILARIO ISOLA, ANTONIO ROVALDI, RA DI MARTINO
- Schnitt: RA DI MARTINO
- Musik: ENRICO ASCOLI
- Ton: ENRICO ASCOLI
- Sprache: ar
- Untertitel: en
- Jahr: 2012
- Website