The Act of Killing
Indonesische Todesschwadronen ermordeten 1965/1966 über eine Million „Kommunisten“: politische Gegner, Intellektuelle, Gewerkschafter, Chinesen. Die Anführer dieser Kommandos werden nach wie vor als Volkshelden gefeiert. Die damals gegründete paramilitärische Organisation hat eine Million Mitglieder. Unrechtsbewusstsein, Kriegsverbrecherprozesse, Wiedergutmachung, all das existiert in Indonesien nicht. Die auf Einschüchterung und Korruption basierende Macht der heutigen Regierung gründet auf den Leichenbergen von damals. Teils sind es dieselben Leute, die noch heute als Unterdrücker am Werk sind. Eigentlich wollte der US-Regisseur, dessen Großeltern knapp dem Holocaust entkamen, einen Film über die Überlebenden des Genozids drehen. Aber sie wurden schikaniert, bedroht, festgenommen. Also begann er, die Täter zu interviewen, Männer, die sich heute im Wahlkampf aufstellen lassen und für General Suharto mit bloßen Händen töteten. Er stieß dabei auf Gangster, die ihre Mordmethoden Hollywood verdanken, Mafiafilmen und Western, für die sie auf dem Schwarzmarkt Tickets verkauften, bevor sie sich als Killer verdingten. James Bond, Al Pacino, John Wayne, den Mord mit einer Drahtschlinge – das konnten sie auch, schneller, effektiver. Filme, die zum Morden inspirieren, gibt es also nicht erst seit der Debatte über Amokläufer und Killerspiele. Und weil sie sich beim Töten wie Kinohelden fühlten, plagte sie kein Schuldgefühl. Hollywood entlastete sie. Oppenheimers Coup: Er bat die Täter, ihre Morde und Folterverhöre als Filmszenen vor der Kamera nachzustellen. Sie kommen der Bitte freudig nach, köpfen, erwürgen, schneiden Kehlen durch, richten sich mit Theater-Make-up als Opfer zu, bauen Musicalszenen mit sexy Showgirls ein und spielen ein Massaker in einem Dorf nach, unter Beifall der Bevölkerung, in Anwesenheit eines Ministers. Erinnerung als Billigsoap, Träume, die in Albträume umschlagen, die verdrängte Realität als Splattermovie – im Namen der Erinnerung und der Geschichte, sagen die Gangster. Das Kino als Wahrheitskommission, als internationaler Gerichtshof für ungesühnte Menschheits-Verbrechen? „Jetzt weiß ich, wie schlimm meine Opfer sich gefühlt haben“, sagt Anwar, nachdem er sich als Opfer auf Video sah. „Nein, es war schlimmer“, sagt Oppenheimer. „Du weißt, es ist ein Film, deine Opfer wussten, sie werden getötet.“
- Dänemark, Norwegen
- 01:55:00
- Regie: Joshua Oppenheimer
- Kamera: Carlos Arango de Montis, Lars Skree
- Jahr: 2012