Pfarrers Kinder – Punks, Politiker und Philosophen
Die Erwartungen einer Kirchengemeinde an eine Pfarrerstochter in den 1960er Jahren sind leicht zu benennen: Weniger frech als ihre Freundinnen hatte sie zu sein, weniger lustig und weniger egoistisch. Hier waren Spannungen vorprogrammiert. Die Filmemacherin Angela Zumpe beginnt ihre Erzählung aus der Perspektive der rebellierenden 16 Jährigen, die raus will aus dem Pfarrhaus. Im Film setzt sie ein Mosaik aus alten Fotos, vom Vater gedrehten Super-8-Aufnahmen und Fragmenten aus der jeweiligen Zeit zusammen, geleitet durch die Suche nach dem Mythos „Pfarrhaus“. Was hat es mit den „protestantischen“ Anforderungen an ein vorbildliches Leben auf sich? Der Film fragt, wie es im Pfarrhaus heute aussieht, in traditionellen oder veränderten Familienkonstellationen. Pfarrerskinder geben Auskunft über ihre Jugend, über Privileg, Last und nicht zuletzt Nachwirkung dieser Herkunft in den eigenen Lebensläufen. Die einen hat die Berufswahl ins Pfarrhaus zurückgeführt, andere haben sich weit davon entfernt. Ein Pastor aus der kirchlichen Opposition der DDR erinnert sich an eine Art Schule der Demokratie mit großen Freiräumen. Eine Ex-Punkerin vom Prenzlauer Berg beschreibt die rebellischen 80er Jahre. Der schwule Publizist Hans Hütt erzählt von häuslicher Gewalt in seinem Elternhaus aber auch davon, dass der Vater später sein Coming-Out akzeptiert hat. Terroristin wurde die schwäbische Pfarrerstochter Gudrun Ensslin als extreme Vertreterin einer Generation, die einstehen wollte für das Unheil, das die Elterngeneration im Nationalsozialismus angerichtet hatte. Aus der Geschichte sind nicht wenige Fälle eines lebenslangen Ringens mit dieser Herkunft bekannt. Der Film verweilt deshalb auch im Geburtshaus von Friedrich Nietzsche, der profunder Kenner und schärfster Kritiker des Christentums war. Gleichzeitig schwärmte er von seiner Kindheit im Pfarrhaus. In vielen Selbstauskünften schwingt ein Hauch von Stolz und Wehmut mit. Man hat Verständnis gefunden in persönlichen Krisenzeiten und ein kaum zu überschätzendes Erbe an literarischer und musikalischer Bildung für den Lebensweg mitbekommen. Die Filmemacherin fasst es am Ende so zusammen: „Von einem Vorhof der Hölle war meine Jugend im Pfarrhaus weit entfernt. Zumindest so weit, wie von einem Himmel auf Erden.“
- Deutschland
- 01:24:00
- Regie: Angela Zumpe
- Production: Angela Zumpe,
Michael Geidel - Kamera: Peter Petrides
- Schnitt: Markus Stein
- Musik: Ilja Coric
- Ton: Björn Geldermann
- Sprache: de
- Jahr: 2017
- Website
- Weltpremiere