01.SCREENINGS

Herzstück des Festivals ist das Filmprogramm, aufgeteilt in drei verschiedene Sektionen:

02.MONITORING

Die Medienkunstausstellung Monitoring präsentiert aktuelle (Video-)Installationen von etablierten Künstler/innen und viel versprechenden Nachwuchstalenten.

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03.DOKFEST LOUNGE

Die DokfestLounge ist nicht nur Spielort für audiovisuelle Performances internationaler Künstler, VJs und DJs, sondern auch allabendlicher Party-Treffpunkt für unsere Gäste.

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04.INTERFICTION

Die interdisziplinäre Tagung beschäftigt sich in Vorträgen, Workshops und Gesprächsrunden mit jährlich wechselnden Themen aus Medien und Netzkultur.

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05.JUNGES DOKFEST

Das Begleitprogramm richtet sich gezielt an Schüler der Klassen 8 bis 13. Geboten werden speziell zusammen­gestellte Filmprogramme sowie Workshops zu Filmanalyse und Kreativem Schreiben, durchgeführt und betreut von Medienpädagogen.

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06.DOKFEST FORUM

Das DokfestForum bietet ein Veranstaltungs­programm aus Gesprächen, Lectures und Screenings an der Schnitt­stelle zwischen Film und Kunst.

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07.EDUCATION

Mit dem Hessischen Hochschulfilmtag, der Präsentation einer europäischen Filmhochschule und praxisbezogenen Vorträgen und Workshops bietet das Kasseler Dokfest dem (hessischen) Filmnachwuchs Möglichkeiten zur Weiterbildung, Informationen zu Ausbildung und Zugang zu professionellen Netzwerken.

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Ehrenpreis

Das Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest vergibt seit 2001 Preise, die sich in der Regel an den kunstschaffenden Nachwuchs richten. Seit 2015 vergibt das Kasseler Dokfest einen Ehrenpreis für bereits etablierte Regisseur/innen, die sich durch besonders innovative Leistungen in Film und Kunst hervorgetan haben. Der Preis richtet sich an Filmschaffende, die entweder aus der Region stammen oder in besonderer Weise mit dem Kasseler Dokfest verbunden sind. Der Preis wird von der in Kassel ansässigen Hübner GmbH & Co. KG gestiftet.

In 2017 vergeben wir den mit 3.000 Euro dotierten Ehrenpreis an den renommierten Filmemacher Klaus Stern.

Eines der erklärten Ziele des Kasseler Dokfestes ist die gleichwertige Verschränkung von regionalem mit internationalem künstlerischen und filmischen Schaffen in allen Festivalsektionen. Dieses Konzept der Gleichrangigkeit ist einzigartig und das Kasseler Dokfest daher von großer Wichtigkeit als Impulsgeber und Kommunikationsort für die heimische Szene. Das Werk und Wirken von Klaus Stern knüpft daran an. Schon seit langem ist der Filmemacher eng mit dem Kasseler Dokfest verbunden: Sein Erstlingswerk DER AUSTAUSCH – DIE VERGESSENE ENTFÜHRUNG DES PETER LORENZ hatte – in der damaligen Videosektion im Dock 4 – seine Premiere. Drei
Jahren später erhielt Klaus Stern für ANDREAS BAADER – DER STAATSFEIND den Preis „Der Goldene
Schlüssel“, der herausragende Produktionen von jungen Filmemacher/innen würdigt. Unvergessen
in der Geschichte des Kasseler Dokfestes ist die Eröffnungsveranstaltung 2011 mit dem Film VERSICHERUNGSVERTRETER – DIE ERSTAUNLICHE KARRIERE DES MEHMET GÖKER. Hunderte von interessierten Menschen wollten den aktuellen Film von Klaus Stern zum nordhessischen Topthema Nummer 1, dem Betrugsskandal um den Kasseler Versicherungsunternehmer Mehmet
Göker, sehen. Mehmet Göker hatte nicht nur Strahlkraft im seinem Versicherungsgeschäft, sondern zog im Laufe von 6 Monaten gut 10.000 Zuschauer/innen in die Kasseler Programmkinos.
„Manche Dokumentarfilmer fahren um die halbe Welt, um spannende Geschichten zu finden. Andere wiederum machen die Haustür auf, schauen sich um und finden, was ihnen da vor die Füße fällt. Klaus Stern gehört zur zweiten Gruppe. Vielleicht weil er als gelernter Briefträger gelernt hat, vor Wohnungstüren zu schauen? Jedenfalls hat er uns in seiner Bodenständigkeit mit Protagonisten aus der Nähe bekannt gemacht: Mit dem Bürgermeister von Hofgeismar, Henner Sattler etwa. Mit dem Versicherungsvertreter Mehmet Göker, der sein großes Betrugsgeschäft von Hessen aus aufbaute. Oder, nur ein kleines Stück weiter weg, mit dem Politikberater Klaus Abberger, der in Baden-Württemberg als Wahlkampfcoach unterwegs ist. Elf Dokumentarfilme hat Klaus Stern bisher abgeliefert, die unterschiedlichen, dem Fernsehen angepassten Sendeversionen nicht eingerechnet. Hat dafür nicht wenige Preise abgeräumt, Deutscher Fernsehpreis, Grimme-Preise, Herbert-Quandt-Medienpreis – nicht schlecht für einen Selfmademan im Dokumentarismus. Was treibt den Autor? Was interessiert ihn? Wer interessiert ihn? Was will er erzählen?


Sucht man nach einem gemeinsamen Nenner, findet man: seine Protagonisten. Klaus Stern erzählt seine Filme über Menschen, nicht über Personifizierungen von Themen und schon gar nicht über Thesen oder Themen. Als er den „Deutschen Herbst“ entdeckte, war seine erste Arbeit über
eine fast vergessene Aktion der „Bewegung 2. Juni“, die Entführung des damaligen CDU-Landesvorsitzenden Peter Lorenz. Danach interessierte er sich für den „Staatsfeind Nummer 1“, den RAF-Terroristen Andreas Baader – ein genaues Porträt des widersprüchlichen Posterboy des
deutschen Terrorismus.

Danach wechselte er von den Toten zu den Lebenden und entdeckte die Größenwahnsinnigen, die Halbverrückten, die Träumer und Spinner. Personen, die Grenzen überschreiten. Die etwas Außergewöhnliches tun und die es außergewöhnlich tun. Die aufsteigen, abstürzen und wieder aufstehen. Wie Tan Siekmann, der „Weltmarktführer“ in Sachen IT-Sicherheitstechnik, zeitweise Millionär, dann Pleitier, ein Stehaufmännchen. Oder wie Henner Sattler, der dem Traum nachjagt, tief in der nordhessischen Provinz ein Urlaubsressortaus dem Boden zu stampfen, das sich mit den Paradiesen in der Karibik und in Dubai messen lassen soll. Dann ist da Werner Koenig, dem zeitweise die drittgrößte Filmproduktionsfirma in Deutschland gehörte, ein Spitzensportler, der immer an seine Grenzen ging und darüber hinaus – und der zweimal in eine Lawine geriet, beim ersten Mal überlebte, beim zweiten Mal nicht mehr. Und natürlich Mehmet Göker, der Selfmademan der Versicherungsbranche, der einmal den größten Versicherungsvertrieb in Deutschland aufbaute und mit 21 Millionen Steuerschulden in die Türkei flieht, gesucht von Interpol und dennoch wieder im Geschäft. Zwei Filme lang hat Klaus Stern ihn begleitet.

Dabei kommt der Autor seinen Protagonisten durchaus nahe. Es gehört zur Ambivalenz des Dokumentarfilms, seinen Figuren so nahe wie möglich zu kommen und gleichzeitig so viel Distanz zu bewahren, dass man ihnen nicht auf den Leim geht. Klaus Stern spielt souverän damit und er kann offenbar auch Zugang zu solchen Leuten finden. Henner Sattler wird in „Henners Traum“ schon im Titel etwas kumpelhaft nur beim Vornamen genannt. „Noch ein Bier,Klaus ?“ hört man einmal Mehmet Göker aus dem Off fragen, als Stern bei ihm zu Hause in der Türkei dreht. Der Regisseur hat die Szene im Film gelassen. Er ist aber auch beim Sie geblieben, obwohl Mehmet Göker ihn beständig duzt. Er gibt Gökers Selbstdarstellungsdrang durchaus Raum, wohl auch in der Erkenntnis, dass das Bohei, das der veranstaltet, für sich spricht. Und manchmal genügt Stern dann ein Seitenblick mit der Kamera, um die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Wenn Göker grad mal wieder seine Lage in der Türkei rosarot schildert, schneidet Stern das Bild eines streunenden Hundes dazwischen, der sich in der wenig attraktiven Umgebung von Gökers Domizil herumtreibt.

Dabei sind Sterns Protagonisten nicht beliebig. Nicht nur ungewöhnliche Personen, sondern auch Personen aus der gesellschaftlichen Gegenwart, die sich mit ihnen und durch sie erzählen lässt. Die Versprechungen und Illusionen der New Economy, dass im Kapitalismus das Geld aus dem Nichts vom Himmel fällt. Die Illusionen, die sich mit dem Tourismus verbinden. Und im jüngsten Film vom „Bürgermeistermacher“, wie moderne Methoden der Politikberatung jetzt auch in die Provinzpolitik einziehen. Entdecken muss das allerdings der Zuschauer selbst. Sterns Filme sind immer auch Filme für Selberdenker.

Das Interessanteste an Sterns Umgang mit seinen
Protagonisten ist: Er verrät seine Figuren nicht. Auch wenn sie unsympathisch sind, empfindet er
noch Sympathie. Stern schenkt Tan Siekmann nichts, wenn er klarstellt, dass seine dubiosen Geschäftspraktiken unbedarfte Anleger ihr letztes Erspartes kosten – trotzdem ist er fasziniert von
diesem Stehaufmännchen. Er könnte es sich leicht machen mit Henner, der seinem Traum so
bedingungslos nachläuft, wider alle Vernunft und wider alle Zahlen. Er könnte ihn als Witzfigur lächerlich machen, als provinziellen Spinner. Aber Stern zeigt ihn als eine tragische Figur, als einen
Mann, der seinen Traum lebt. Und dieses Träumen verachtet der Film nicht.

Klaus Stern ist auch ein Geschichtenerzähler, nicht nur im großen Bogen von Aufstieg und Fall seiner Protagonisten, sondern oft auch in den kleinen Binnengeschichten. Die ergeben dann Szenen, die man so schnell nicht vergisst. Etwa wie Henner in den ersten Bildern des Films auftritt, allein joggend durch eine menschenleere Landschaft, ein einsamer Held, einer gegen alle. Oder die unglaubliche Szene, in der die Urlaubsmacher vor einem Nichts von Landschaft stehen und sich und den jeweils anderen in Worten ausmalen müssen, wie es hier einmal aussehen könnte, würden sich denn die Visionen erfüllen. Direkt und erschreckend die Szene, in der Mehmet Göker einige aus seiner Mannschaft zur Schnecke macht, ein kleines Lehrstück über Sektiererei, Verführbarkeit, Angst und Macht. Oder die nicht unkomische Geschichte des Ex-Göker-Fans, der sich seinerzeit das Firmenlogo eintätowieren ließ und das Tattoo jetzt mühsam wieder loswerden muss. Die Liste ließe sich noch fortsetzen, es wäre eine Liste der Unterhaltsamkeit. Denn, was man nicht jedem Dokumentaristen zutraut: die Filme von Klaus Stern sind unterhaltend im besten Sinn. Und sie stecken, das macht sie so spannend, voller Geschichten, die erzählenswert sind und auf die wir ohne den Autor nicht gekommen wären. Die Zuschauer honorieren das. Der „Versicherungsvertreter“ ist in den Dritten TV-Programmen durchgereicht worden, als gäbs kein Morgen mehr. Der Film hat, in der Summe, weit mehr als vier Millionen Zuschauer erreicht, mehr als so manches hochgepriesene TV-Event. Aber zugeben, über welchen Schatz sie da verfügen, das mögen die Sender leider nicht.“ (Fritz Wolf)


Zwei Sonderprogramme mit Filmen von Klaus Stern werden im Rahmen des Festivals gezeigt:


MI. 15.11. / 15.15 / BALi Kinos
Der Austausch – Die vergessene Entführung des Peter Lorenz (44 Min.)
Andreas Baader – Der Staatsfeind (44 Min.)
In Anwesenheit von Klaus Stern.


SA. 18.11. / 14.30 / GLORIA Kinos
Versicherungsvertreter – Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker (79 Min.)
Moderation Fritz Wolf. Im Anschluss Gespräch mit Klaus Stern über sein Werk.

Die Auszeichnung wird – ebenso wie die anderen Preise des Kasseler Dokfestes – am Sa. 18.11.2017 in einem Festakt verliehen.

Die Laudatio hält Steffen Hallaschka.

 

Preisträger/innen

2016: Rotraut Pape

2015: Raymond Ley