Preise

Dubina Dva (Depth Two) von Ognjen Glavonic

Jurybegründung:

Die Jury des Goldenen Schlüssels hat sich in überzeugter Einstimmigkeit dafür entschieden, den Preis für die beste dokumentarische Nachwuchsarbeit an Ognjen Glavonic für „Dubina Dva“ („Depth Two“), zu vergeben. Der Film holt ein serbisches Kriegsverbrechen im Kosovo auf ebenso subtile wie quälende Art von 1999 in die Gegenwart zurück. Er bringt Menschen, Täter wie Opfer, vor unser Auge, die wir nicht sehen, aber fühlen können. In der verstörenden Poesie stiller Kamerafahrten macht „Depth Two“ den Ort des  Massakers und selbst noch die Nachkriegslandschaft zu einer Topographie des Grauens. Stimmen aus dem Kriegsverbrecher-Tribunal in DenHaag, Stimmen der Beteiligten, machen die Tonspur zu einer eindringlichen Parallelkomposition und laden die Bilder mit Sinn und Erinnerung. „No body-no crime“. Das war das Credo des Ilobadan Milosevic, wenn er Leichen verschwinden ließ. „Depth Two“ widerlegt Milosevic mit den klugen Stilmitteln eines Filmes, er ist körperlos. Und bei allem Verzicht auf pompöse Effekte ein atemberaubendes Zeugnis von Schuld.

Emily Must Wait von Christian Wittmoser.

Jurybegründung:

Wir sehen die Wohnung von Emily aus der Vogelperspektive. Dabei bilden die vier Innenwände des kleinen Apartments die Begrenzung der Leinwand. Aus dieser einen Einstellung heraus nehmen wir an Emilys Warten auf ihren Freund teil, das sie davon abhält, sich frühzeitig in Sicherheit zu bringen.

Außerhalb des anfangs noch geschützten Raums rückt der Krieg immer näher. Das erfahren wir durch ein detailreiches und punktgenaues Sound- und Lichtdesign, das uns zusätzlich in die Szenerie zieht. Auch jedes Ausstattungsdetail hat eine erzählerische Funktion, so etwa die verrottenden Zimmerpflanzen, die abnehmenden Lebensmittelvorräte oder das Dreckwasser, welches irgendwann nur noch aus der Leitung kommt. Die zunehmende Verwahrlosung des Raumes spiegelt auch Emilys Seelenzustand wider. Die Situation eskaliert, als schließlich der Krieg in Gestalt von Plünderern und Soldaten in den Raum eindringt. 

Wittmoser und sein Team verstehen es meisterhaft, in einer atmosphärisch dichten Reduktion eine große Geschichte auf kleinem Raum zu erzählen, die für uns alle relevant ist und unsere Urängste berührt.

Eisen von Benjamin Kahlmeyer

Jurybegründung:

Das diesjährige junges dokfest: A38-Produktions-Stipendium Kassel-Halle geht an einen Film, der einfallsreich, emotional und wichtig ist.

Der Film beschäftigt sich mit Geflüchteten in Deutschland. In klaren, kühlen Bildern werden unerfüllte Wünsche, Erwartungen und das alltägliche Leben in einer Flüchtlingsunterkunft gezeigt. In der Hoffnung auf ein „Eldorado“, einer Stadt aus Gold, landen sie zunächst in Eisen, Eisenhüttenstadt.

Die Jury überzeugten vor allen Dingen die entschleunigten Bilder. Dadurch wird die Trostlosigkeit der Situation spürbar. Der Filmemacher beweist ein feines Gespür für die kurzen, spannungsgeladenen Momente. 

Surface Glaze von Lotte Meret

Jurybegründung:

Lotte Meret erkundet den menschlichen Körper in irritierenden Detailaufnahmen: eine schwarz glänzende Flüssigkeit rinnt über einen behaarten Körper wie durch eine Landschaft, cremiges Makeup fließt über die Haut und verbindet sich mit ihr, die Unterseite einer Zunge glänzt (ver)lockend. 

Auf den ersten Blick erscheint alles porentief rein, makellos, farblich aufeinander abgestimmt. Erst beim genauen Hinsehen werden Hautfalten, Irritationen oder Pigmentflecken sichtbar. Es bleibt unklar, ob es sich um einen Mann oder eine Frau, um eine oder mehrere Personen handelt. Mit den Flüssigkeiten verwässern auch die Zuschreibungen, Identitäten mäandern, alles dehnt sich aus und sucht sich einen neuen Weg. Man kann die verschiedenen Oberflächen fast spüren. 

Die Künstlerin bedient sich einer visuellen Sprache, die uns täglich in den Anzeigenkampagnen der Hochglanzmagazine und auf den Retina-Displays unserer mobilen Endgeräte begegnet, die faszinierend und abschreckend zugleich ist. Indem sie sich diese Werbeästhetik zu eigen macht und perfektioniert, führt sie uns die Funktionsmechanismen anschaulich vor Augen. Ihre Bilder gehen im wahrsten Sinne des Wortes „unter die Haut“.